Artikel teilen:
Bankensenat des BGH entscheidet in vier Fondsfällen
Veröffentlicht am 25. April 2006
Heute hat der bankenfreundliche XI. Zivilsenat des BGH in vier sogenannten Fondsfällen über die Wirksamkeit von Darlehensverträgen entschieden mit denen Beteiligungen an einem geschlossenen Immobilienfonds finanziert wurden. Bislang liegt lediglich eine Pressemitteilung des BGH vor. Die dazugehörigen Urteile werden in Kürze vom BGH im Volltext veröffentlicht werden.
Erneut keine Vorlage an den Großen Senat
In der Vergangenheit hatten sich zwischen dem für das Darlehens- und Verbraucherkreditrecht zuständigen XI. Senat des BGH und dem für das Gesellschaftsrecht zuständigen II. Zivilsenat des BGH zu entscheidenden Rechtsfragen zahlreiche Meinungsverschiedenheiten ergeben (wir haben fortlaufend auf unserer Homepage unter der Rubrik „Wissenswertes“ darüber berichtet). Dies hat zu einer untragbaren Rechtsunsicherheit für die geschädigten Anleger geführt die nunmehr seit langer Zeit besteht.
Bereits auf der diesjährigen Jahrespressekonferenz des Bundesgerichtshofs hat der Präsident des BGH die Annäherung beider BGH-Senate angekündigt. Dies ging zunächst auch für die Verbraucher aus. So haben sich der II. und der XI. Zivilsenat mit Urteilen vom 12.12.2005 (II ZR 327/04 siehe bereits unseren Homepage-Bericht „Fremdfinanzierte Immobilienfonds“ vom 27.01.2006) und 14.02.2006 (XI ZR 255/04) zugunsten der Verbraucher geeinigt. Das objektive Vorliegen einer Haustürsituation muss sich die Bank bereits entgegenhalten lassen. Der Nachweis dass die Bank Kenntnis von der Haustürsituation hatte fordert der XI. Zivilsenat des BGH nicht mehr.
Nach den heute verkündeten Entscheidungen des XI. Zivilsenats des BGH zeichnet sich dagegen ab dass auch der II. Zivilsenat des BGH von seiner verbraucherfreundlichen Rechtsprechung zugunsten der angestrebten Annäherung ein Stück weit abrücken muss. Bedauerlich ist dass eine Vorlage an den Großen Senat der bei Streitigkeiten zwischen einzelnen Senaten entscheidet abermals nicht erfolgt sondern sich der XI. Zivilsenat vor einer solchen Vorlage drückt. Dabei hatte der Vorsitzende Nobbe des XI. Zivilsenats des BGH in den mündlichen Verhandlungen am 07.02.2006 noch angekündigt dass es am 25.04.2006 keine Urteile geben wird wonach allseits eine Vorlage an den Großen Senat erwartet wurde.
Die vier Fondsfälle über die heute entschieden wurde betreffen unterschiedliche Fallkonstellationen.
In zwei dieser Fälle (ubg-Fonds – AZ.: XI ZR 219/04 und HAT-Fonds – Az.: XI ZR 29/05) wurde der streitige Darlehensvertrag nicht von den Anlegern selbst unterzeichnet sondern von einer sogenannten Treuhänderin zumeist einer Steuerberatungsgesellschaft. Die Anleger hatten dieser Treuhänderin eine umfassende notarielle Vollmacht erteilt die auch den Abschluss des Darlehensvertrages zum Gegenstand hatte. Daneben hatten die Anleger in den beiden zur Entscheidung stehenden Fällen einen sogenannten Zeichnungsschein unterzeichnet.
Über die rechtliche Bewertung einzelner Textpassagen dieses Zeichnungsscheines hat sich ebenfalls ein Streit entwickelt. Zur Debatte steht ob bereits der Zeichnungsschein eine Bevollmächtigung der künftigen Treuhänderin zum Abschluss des Darlehensvertrages enthält oder ob diese im Zeichnungsschein lediglich ankündigt wird. Der XI. Zivilsenat des BGH hält die Treuhänderin zum Abschluss des Darlehensvertrages nur für befugt wenn ihr im Zeichnungsschein gesondert Vollmacht erteilt wurde und der Zeichnungsschein der Bank vorgelegt worden ist. Inwieweit er diese beiden Voraussetzungen in den heute entschiedenen Fällen bejaht lässt sich erst den Urteilen im Volltext entnehmen. Der II. Zivilsenat des BGH hatte in seiner Entscheidung vom 14.06.2004 (Az.: II ZR 393/02) im Zeichnungsschein keine Finanzierungsvollmacht gesehen. Sollte der XI. Zivilsenat tatsächlich zu einem gegenteiligen Ergebnis kommen wird die Bank jedoch in jedem Fall nachzuweisen haben ob ihr der Zeichnungsschein bei Darlehensvertragsabschluss vorgelegen hat.
Die Problematik ob bereits dem Zeichnungsschein eine Finanzierungsvollmacht entnommen werden kann stellt sich nur bei einzelnen Immobilienfondsgesellschaften mit einem vergleichbaren Zeichnungsschein.
Die von der Treuhänderin unterzeichneten Darlehensverträge waren in den vorliegenden Fällen zudem jeweils durch eine zuvor bereits bestellte Grundschuld auf der Fondsimmobilie abgesichert. Diese grundpfandrechtliche Absicherung führte ebenfalls zu tiefgreifenden Divergenzen in der Rechtsprechung des II. und XI. Zivilsenats sowie in der Literatur. Kontrovers diskutiert wird ob die Vorschriften über das sogenannte Verbundgeschäft bei einem grundpfandrechtlich abgesicherten Darlehen Anwendung finden können. Dann hätten die Anleger nicht das Darlehen sondern den Fondsanteil als Gegenleistung erlangt und im Rahmen einer Rückabwicklung auch nur diesen an die Bank abzutreten. Ein Verbundgeschäft bei grundpfandrechtlich abgesicherten Darlehen lehnt der XI. Zivilsenat des BGH jedoch von jeher ab und setzt sich mit den heutigen Entscheidungen gegen den II. Zivilsenat des BGH durch. Aber selbst wenn man mit dem XI. Zivilsenat ein Verbundgeschäft verneinen möchte schuldet der Anleger im Rahmen der Rückabwicklung der Bank die Darlehensvaluta nur wenn er diese empfangen hatte. Dies ist im Einzelfall zu prüfen. In der Regel wurde die Darlehensvaluta jedoch eben nicht an den Anleger selbst sondern an die Treuhänderin oder einen sonstigen Dritten aufgrund einer unwirksamen Anweisung ausgezahlt.
In den zwei weiteren heute zur Entscheidung gekommenen Fällen hatten die Anleger die Darlehensverträge selbst unterzeichnet. Eine grundpfandrechtliche Absicherung bestand nicht so dass auch der XI. Zivilsenat des BGH die Vorschriften des Verbundgeschäfts zugunsten der Anleger zur Anwendung kommen lässt. Für die Ansprüche nach dem Hauswiderrufsgesetz verbleibt es somit unverändert bei der verbraucherfreundlichen Rechtslage mit der Folge dass bei einer Rückabwicklung der Anleger der Bank nicht die Darlehensvaluta sondern den Fondsanteil schuldet.
Hinsichtlich der Ansprüche der Anleger die durch falsche Angaben zum Fondsbeitritt und zum Abschluss des Darlehensvertrags verleitet wurden hat sich nach unserer vorläufigen Prüfung die Rechtslage modifiziert. Jetzt kommt es wohl vorrangig auf die Täuschungen des Anlagevermittlers an. Im Ergebnis hat der Bundesgerichtshof jedoch bestätigt dass der Anleger eine Täuschung des Vermittlers der Bank auch weiterhin entgegenhalten kann sofern ein verbundenes Geschäft vorliegt. Auch in diesem Fall kann der Anleger nach unserer vorläufigen Auffassung die Rückzahlung des Darlehens verweigern und die an die Bank bezahlten Beträge zurückfordern. Dies ergibt sich insbesondere aus den Ausführungen des Bundesgerichtshofs zu einem möglichen Schadensersatzanspruch gegen die finanzierende Bank.
Eine Einschränkung der Rechtsposition der Anleger ergibt sich auch hinsichtlich möglicher Ansprüche wegen formeller Fehler des Darlehensvertrags. Bislang konnte eine fehlende oder falsche Angabe im Darlehensvertrag dazu führen dass der Darlehensvertrag unwirksam ist. An diesem Grundsatz wird der Bundesgerichtshof zwar auch weiterhin festhalten. Der Fehler kann jedoch nunmehr „geheilt“ sein wenn der Kreditbetrag vertragsgemäß an einen Treuhänder ausbezahlt wurde. Bislang hatte der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs eine Heilung des Formfehlers durch Auszahlung an den Treuhänder abgelehnt wenn Darlehensvertrag und Fondsbeitritt ein verbundenes Geschäft darstellen. Nunmehr soll es auf das Vorliegen eines verbundenen Geschäfts nicht mehr vorrangig ankommen. Ob der Darlehensvertrag durch die Auszahlung an den Treuhänder oder einen sonstigen Dritten tatsächlich geheilt wurde wird jedoch auch weiterhin vom Einzelfall abhängen. Anstelle des Vertragszinses tritt im Fall einer Heilung jedoch der deutlich reduzierte gesetzliche Zinssatz von 4 % p. a.
Eine endgültige inhaltliche Auseinandersetzung mit den heutigen Entscheidungen ist naturgemäß erst möglich wenn die Urteile im Volltext vorliegen. Im Rahmen dieser Urteile wurden zwar wesentliche aber bei weitem noch nicht alle offenen Rechtsfragen zu geschlossenen Immobilienfonds und deren Finanzierung geklärt. Dies gilt erst recht hinsichtlich der Rechtslage bei fremdfinanzierten Eigentumswohnungen zu der sich der BGH heute ausdrücklich nicht geäußert hat. Wie der BGH die Vorgaben des EuGH vom 25.10.2005 umsetzen wird bleibt abzuwarten.
In der Presse wurden die Entscheidungen sehr unterschiedlich und auch nicht immer richtig dargestellt. Aufgrund der Entscheidungen hat nun die genaue Betrachtung des Einzelfalles an Bedeutung gewonnen. Geschädigte Fondsanleger können über unser Kontaktformular mit uns Verbindung aufnehmen.