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EuGH verhandelt erneut über Rechtsfragen zum Haustürwiderrufsgesetz
Veröffentlicht am 18. März 2005
Bereits zum dritten Mal (nach der Sache Heininger ./. HypoVereinsbank AG sowie Schulte gegen Deutsche Bausparkasse Badenia) beschäftigte sich der Europäische Gerichtshof am 17.03.2005 mit Rechtsfragen zum Haustürwiderrufsgesetz im Zusammenhang mit Immobilienfinanzierungen (C-229/04).
Umstrittene Immobilienfinanzierungen der Crailsheimer Volksbank eG
Zu entscheiden hat das Gericht über Vorlagefragen die vom Hanseatischen Oberlandesgericht in Bremen betreffend dreier Rechtsstreite zwischen der Crailsheimer Volksbank eG und mehreren Darlehensnehmern eingereicht wurden. Die Kreditverträge dienten der Finanzierung des Erwerbs von Hoteleinheiten in einem sogenannten Boardinghouse in der Nähe von Stuttgart. Sowohl Kauf- als auch Kreditvertrag waren in einer sogenannten Haustürsituation angebahnt worden.
Kritik an der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH
Unter den Augen zahlreicher Besucher zu denen neben Verbraucheranwälten auch Vertreter deutscher Großbanken gehörten fasste zunächst der Prozessbevollmächtigte der Crailsheimer Volksbank eG die Hintergründe des Verfahrens aus Sicht der Kreditgeberin zusammen. Der Vertreter der Bank stellte dabei klar dass es sich bei dem Finanzierungsobjekt nicht um eine wie es im Sitzungsbericht heißt minderwertige Immobilie handle. Vielmehr sei von seiner Mandantin ein solides Immobilienobjekt finanziert worden. In den Ausgangsverfahren hatte die Bank auf Rückzahlung ihrer Darlehen geklagt.
Das erste in der Sache ergangene Urteil des HOLG Bremen war vom XI. Senat des BGH an dieses zurückverwiesen worden. Daraufhin hatte das HOLG Bremen seine Vorlagefragen an den EuGH gerichtet. Aus Sicht des Vertreters der Crailsheimer Volksbank eG wäre diese Vorlage nicht erforderlich gewesen und diene lediglich der – vom Vertreter der Volksbank unterstellten – Absicht des HOLG die Rechtsprechung des XI. Zivilsenats zu unterlaufen.
Der Vertreter der Kreditnehmer stellte im Anschluss daran die Hintergründe der Konzeption der Vermarktung und des Vertriebs sogenannter Steuersparmodelle dar die in der Bundesrepublik flächendeckend gezielt an Verbraucher mit nur geringem bzw. durchschnittlichem Einkommen vertrieben wurden. Dabei fiel den Banken nach den Ausführungen des Verbraucheranwalts wie auch im vorliegend zu entscheidenden Fall die Schlüsselrolle bei diesen Geschäften zu. Es handle sich im Gegensatz zu den in der hier auszulegenden EU-Richtlinie gemeinten Immobilienfinanzierungen zwar um massenhaft gewährte jedoch völlig untypische Immobilienkredite.
Am Ende seines Vortrags übte der Verbraucheranwalt heftige Kritik an der bisherigen Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des BGH insbesondere seines Vorsitzenden Richters und unterstellte diesem eine zu große Nähe zu den beteiligten Banken. Der Vertreter der Kreditnehmer berief sich in diesem Zusammenhang auf angebliche Äußerungen des XI. Zivilsenats eine von seiner (bislang bankenfreundlichen) Meinung abweichende Entscheidung des EuGH ignorieren zu wollen. Hierfür erhielt der Verbrauchervertreter eine deutliche Rüge von Seiten eines EuGH-Richters die nach Ansicht der Prozessbeobachter vor allem dazu dienen sollte die Unabhängigkeit des Hohen Gerichts klarzustellen.
Vertreter der Bundesregierung stützt Auffassung der Bank
Die Deutsche Bundesregierung ließ durch ihren Vertreter wie bereits in den eingangs erwähnten Verfahren nochmals klarstellen dass sie die Rechtsprechung des XI. Zivilsenats sowie die von den Banken vertretene Rechtsmeinung als europarechtskonform erachte. Im Einklang mit den Vertretern der Banken befürwortet die Bundesregierung eine Pflicht des Darlehensnehmers zur sofortigen Rückzahlung der Darlehensvaluta nebst marktüblicher Verzinsung nach erfolgtem Widerruf.
Im Gegensatz hierzu ließ die Französische Regierung durch ihre Vertreterin keine Zweifel daran aufkommen dass sie eine Auslegung der Europarechtlichen Normen befürworte die einen größtmöglichen Schutz des Verbrauchers in dieser Frage zum Ziel habe.
Vertreterin der Europäischen Kommission hält leidenschaftliches Plädoyer für den Verbraucherschutz
Anders als bei den Vorgängerverfahren wurde die Europäische Kommission dieses Mal von einer ehemaligen Richterin des Landgerichts München vertreten. Diese zeichnete sich gerade deshalb durch besondere Sachkunde aus weil sie sich schon während der Ausübung ihres Richteramts unmittelbar und oft mit gleichgelagerten Fällen auseinandersetzen musste. In ihrem Vortrag hob die Vertreterin der Kommission nochmals eindrücklich hervor dass es sich bei den betroffenen Darlehensnehmern auch aus ihrer Erfahrung gerade nicht um den typischen besserverdienenden Kapitalanleger handelt. Eine weitere Besonderheit der in Rede stehenden Fälle sei dass Kredit- und Kaufvertrag stets als untrennbares Gesamtpaket vermarktet worden waren. Dieses Paket war gerade nicht von den Verbrauchern sondern von den Initiatoren und Banken geschnürt worden.
Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs Jakobs kündigte seine Schlussanträge für den 02.Juni 2005 an.
Einschätzung der weiteren Entwicklung
Angesichts der noch ausstehenden Entscheidungen des Gerichts in der Sache Schulte./.Deutsche Bausparkasse Badenia ist davon auszugehen dass der Gerichtshof sich wohl frühestens Mitte der zweiten Jahreshälfte einheitlich zu beiden Verfahren äußern wird.