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Kleinanleger und Bankenkrise

Veröffentlicht von Georgios Aslanidis am 15. Oktober 2008

Beratungssituation-nur-Hände

Die Finanzkrise hat nicht nur eine Vielzahl von Banken weltweit schwer in Mitleidenschaft gezogen, sondern ist bereits in der Realwirtschaft angekommen. Zwar dürfte sich das Mitleid gerade mit jenen Investment- und Geschäftsbanken in Grenzen halten, die durch die immer weitere Verbriefung von Kreditrisiken und deren Umverpackung in immer komplexere und intransparentere Finanzprodukte, die dann zur Risikostreuung weltweit weitergereicht wurden, die aktuelle Finanzkrise maßgeblich mit verursacht haben.

Folgen der Bankenkrise für Kleinanleger

Die Folgen gehen jedoch weit über den Bankensektor hinaus und beschränken sich keineswegs auf den Zusammenbruch, die Teilverstaatlichung bzw. die Stützung notleidender Banken mit einem bisher für völlig unvorstellbar gehaltenen dreistelligen Milliardenbetrag (über 500 Mrd. €) allein in der Bundesrepublik Deutschland. Die negativen Auswirkungen auf Industrie, Handel, produzierendes Gewerbe und Dienstleistungen sind bereits eingetreten. Die langfristigen Folgewirkungen für die Wirtschaft, aber auch für den Staat und letztlich für uns alle als Steuerzahler aufgrund der übernommenen Milliardengarantien, sind nicht abschätzbar. Die Restrisiken bleiben trotz aller staatlichen Anstrengungen erheblich.

Betroffen von der Finanzkrise ist nun aber ein Personenkreis, der nie damit gerechnet hat, plötzlich zu den Opfern der Turbulenzen an den (vermeintlich so fernen) Finanzmärkten zu gehören. Es handelt sich um Sparer und Kleinanleger, denen es nie in den Sinn gekommen wäre, selbst am großen Rad der Kapitalmärkte drehen zu wollen. Diese Sparer und Kleinanleger wollten in der Regel nichts anderes, als ihre begrenzten finanziellen Mittel, die in vielen Fällen ihr wesentliches Vermögen darstellten, solide und sicher anlegen, fernab vom nervenaufreibenden Auf und Ab der Börsen. Die Sicherheit dieser Geldanlage und der Erhalt des der Bank zur Anlage anvertrauten Vermögens stehen für diese Privatanleger an erster Stelle. Diesen Sparern und Kleinanlegern hätten Banken und Finanzdienstleister nach der von der höchstrichterlichen Rechtsprechung geforderten anleger- und anlagegerechten Beratung nur eine solche Anlageform empfehlen dürfen, bei der Verlustrisiken weitgehend ausgeschlossen sind. In der überwiegenden Zahl der Fälle wurden von den Bankmitarbeitern sicherlich nur solche Anlageempfehlungen ausgesprochen, die der mangelnden Risikobereitschaft der Kleinanleger Rechnung trugen.

Gleichzeitig sind konservative und sicherheitsorientierte Anlageformen wie Sparpläne, Termin- und Festgelder etc. für die Bank wenig lukrativ, da sie keine oder nur sehr geringe Provisionen abwerfen. Wesentlich margenträchtiger für Banken und Finanzdienstleister sind komplexe Finanzprodukte wie Anleihen und Zertifikate, die naturgemäß mit hohen Vertriebsprovisionen verbunden sind und bei denen diese Provisionen auch geschickt und für den Anleger meist unbemerkt im Finanzprodukt selbst versteckt werden können. Dies führt dann leider in nicht wenigen Fällen dazu, dass dem Kleinanleger vom Bankmitarbeiter nicht die für ihn geeignetste, sondern die für die Bank provisionsträchtigste Geldanlage verkauft wird. So verzeichnen Verbraucherzentralen und auf Kapitalanlagerecht spezialisierte Anwaltskanzleien derzeit einen starken Anstieg von Anfragen geschädigter Privatanleger, die sich von ihrer Bank falsch beraten fühlen. Kein Wunder, sitzen doch allein durch den Zusammenbruch der amerikanischen Lehman-Bank tausende deutsche Anleger auf wertlos gewordenen Zertifikaten. Nicht besser ergeht es Anlegern, die Bankanleihen von Lehman gekauft haben. Aktionäre dieser Bank gehen durch die Insolvenz ohnehin leer aus. Was in der Theorie für möglich gehalten, von Bankberatern aber meist heruntergespielt wurde, ist nun traurige Realität geworden. Mit der Pleite von Lehman Brothers (immerhin die viertgrößte Investmentbank der Welt) bekamen Anleger erstmals zu spüren, was das Emittentenrisiko im Crashfall bedeutet. Wird der Anbieter (Emittent) des Zertifikats zahlungsunfähig, werden die Inhaber der Zertifikate zu Gläubigern der insolventen Bank.

Kleinanleger und Bankenkrise: Bei Zertifikaten droht Totalverlust

Zertifikate sind rechtlich gesehen so genannte Inhaberschuldverschreibungen. Muss der Emittent (also derjenige, der das Zertifikat angeboten hat, in der Regel eine Bank) Insolvenz anmelden, werden die Papiere nicht mehr bedient – zumindest ist die Rückzahlung fraglich. Das Zahlungsversprechen, das diese Zertifikate verbriefen, ist letztlich nur so gut oder schlecht wie die Bank, die diese Zahlungsgarantie abgibt.

Lehman Brothers hatte zuletzt rund 170 verschiedene Zertifikate im Angebot, deren Volumen nach Schätzungen des Handelsblatts im hohen zweistelligen Millionenbereich liegen dürfte. Der Handel mit diesen Papieren wurde bereits mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingestellt, es muss mit einem Totalverlust gerechnet werden. Dieser könnte nur vermieden werden, wenn Lehman Brothers vor Fälligkeit der jeweiligen Zertifikate aus der Insolvenz herauskäme. Dies ist unwahrscheinlich, nachdem die Bank inzwischen zerschlagen und die noch lukrativen und verwertbaren Teilbereiche an andere Kreditinstitute und Finanzinvestoren verkauft wurden.

Anleger, die Aktien, Bankanleihen (die mehr als 50 verschiedenen auf Lehman gezogenen Bankanleihen wurden wegen der hohen Mindestanlagesummen nur in geringem Umfang an Privatanleger verkauft) oder Zertifikate von Lehman erworben haben, müssen mit einem Totalverlust des eingesetzten Geldes rechnen. Die Lehman-Insolvenz geht aber noch viel weiter: So hat die DZ-Bank sechs sogenannte Cobold-Anleihen emittiert, deren Basiswert die Lehman-Aktie war. Auch diese Kunden der DZ-Bank müssen mit erheblichen Vermögensverlusten rechnen.

Im August 2008 waren über 370.000 Anlagezertifikate und andere Hebelpapiere an den deutschen Börsen zugelassen. Bei dieser Vielzahl von Produkten ist es nicht verwunderlich, dass der Privatanleger den Überblick verliert und den Empfehlungen von Bank- und Finanzberatern weitgehend ausgeliefert ist. Das Risiko solcher Produkte ist für den Laien kaum erkennbar. So hat die Landesbank Baden-Württemberg ein so genanntes Sixpack-Zertifikat platziert. Demnach erhalten Anleger in den nächsten fünf Jahren eine Rendite von 65 Prozent, wenn keiner der Rohstoffe Kupfer, Nickel, Öl, Gold, Weizen oder Sojabohnen mehr als 40 Prozent an Wert verliert. Laien gehen meist davon aus, dass dies ein mehr als ausreichender Puffer ist. Tatsächlich sind Schwankungen von 40 Prozent an den Rohstoffmärkten keine Seltenheit. Trotzdem haben viele Sparkassen Privatanlegern geraten, das Papier zu zeichnen. Dabei kassieren die Sparkassen nicht nur einen Ausgabeaufschlag von 1%, sondern auch eine Abschlussprovision, die bei rund 3% liegen dürfte. Zusätzlich erhält die LBBW eine geschätzte, aber übliche Provision von weiteren 5 %.

Viele Privatanleger, denen von Bankmitarbeitern Zertifikate empfohlen wurden, sind sich ihres aktuellen Risikos noch nicht bewusst: Die drastischen Kursrückgänge der letzten Wochen an den Aktienmärkten haben dazu geführt, dass viele der in den Zertifikaten eingebauten Barrieren unterschritten wurden. Dieses Unterschreiten kann nun je nach Zertifikatsbedingungen zu einem Teilverlust des eingesetzten Kapitals führen.

Darüber hinaus enthalten z.B. einige Anleihen bzw. Zertifikate die Bedingung, dass eine Rückzahlung des Kapitals und auch eine Zinszahlung nicht erfolgt, sofern bei einem Unternehmen, das dem Papier als Basiswert zugrunde liegt, ein sogenanntes Kreditereignis eintritt. Ein Kreditereignis ist z.B. die Insolvenz, Zahlungsunfähigkeit oder Umschuldung des Unternehmens, auf das sich die Anleihe oder das Zertifikat bezieht. Wie sich in den letzten Wochen – nicht nur im Fall Lehman Brothers – gezeigt hat, ist dieses Risiko der Zahlungsunfähigkeit, Insolvenz oder auch nur der Umschuldung bei einer Reihe von Unternehmen bereits eingetreten. Auch hier müssen Anleger, die solche Papiere erworben haben, mit erheblichen Vermögensverlusten rechnen.

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Viele Banken haben nicht ausreichend über die Risiken dieser Papiere aufgeklärt. Viele Berater haben gerade Zertifikate als sichere Konstruktionen angepriesen, da sie teilweise mit einer Garantie ausgestattet sind. Diese ist aber praktisch wertlos, wenn der Emittent – wie im Fall Lehman – zahlungsunfähig wird. Anleger, die sich von ihrer Bank falsch beraten fühlen, sollten dies rechtlich überprüfen lassen. Sollte die Beratung der Bank nicht ihrem Risikoprofil entsprochen haben, bestehen jedenfalls berechtigte Hoffnungen auf Schadensersatz aus der Beratungshaftung der Bank.