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Landgericht Stuttgart bestätigt: Ansprüche im Dieselskandal um VW nicht verjährt – Vorgehen bis Jahresende 2019 möglich

Veröffentlicht von Marco Albrecht am 08. November 2019

Das Landgericht Stuttgart hat die Volkswagen AG in einem von der Kanzlei Aslanidis, Kress und Häcker-Hollmann geführten Verfahren zu Schadensersatz wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen PKW verurteilt. Das Urteil vom 28.10.2019 (Az. 27 O 197/19) ist noch nicht rechtskräftig. Besonders am aktuellen Urteil ist, dass sich das Gericht ausführlich mit der Verjährung der Ansprüche im VW Dieselskandal zum Jahresende 2018 im Zusammenhang mit der Ad-hoc-Mitteilung und der Medienberichterstattung von VW auseinandergesetzt und zugunsten der Verbraucher entschieden hat. Betroffene VW-Fahrer sollten jetzt handeln und Ihre Ansprüche vor Jahresende 2019 sichern.

In dem Verfahren ging es um einen VW Tiguan 2.0 TDI. Das Fahrzeug ist mit dem Motor EA 189 ausgestattet und damit vom Abgasskandal betroffen. Der Kläger erwarb den PKW im Jahr 2010. Im Oktober 2016 wurde er in einem Schreiben von Volkswagen darüber informiert, dass sein Auto zurückgerufen und ein Softwareupdate durchgeführt werden soll. Der Kläger sah sich durch die Beklagte getäuscht und geschädigt und erhob im Mai 2019 Klage beim Landgericht Stuttgart. An dem Musterfeststellungsverfahren hatte sich der Kläger vorab nicht beteiligt.

Verjährung der Ansprüche im Dieselskandal aufgrund Ad-hoc-Mitteilung 2015 und Berichterstattung?

Im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens stellte sich die Volkswagen AG auf den Standpunkt, sie habe den Kläger nicht vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. Überdies seien seine Ansprüche zwischenzeitlich verjährt. Zur Begründung der Verjährung verwies Volkswagen auf die im Jahr 2015 erstellte Ad-hoc-Mitteilung, sowie diverse Presse- und Medienberichte und nicht zuletzt auch auf die Möglichkeit der Überprüfung auf ihrer Homepage, ob das Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen ist. Jedenfalls, so die beklagte Volkswagen AG, habe der Kläger in Bezug auf seine Unkenntnis vor dem Jahr 2016 grob fahrlässig gehandelt.

Die Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Stuttgart sah es nach erfolgter Beweisaufnahme als erwiesen an, dass die Beklagte den Kläger bei Erwerb des Tiguan vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat und dessen Ansprüche zwischenzeitlich auch nicht verjährt wären. Das Gericht hat sich im Rahmen der Entscheidungsgründe detailliert mit den einzelnen Aspekten der möglichen Informationsbeschaffung, insbesondere diverser Artikel in der Presse und im TV, sowie den Informationsmöglichkeiten auf der Homepage der Beklagten auseinandergesetzt.

Nach Ansicht des Landgerichts Stuttgart war die von VW veröffentlichte Ad-hoc-Mitteilung vom 22.05.2015 und die gleichlautende Presseerklärung nicht geeignet, den Dieselkäufern ausreichend Kenntnis zu vermitteln. Zum einen deshalb, weil nicht mitgeteilt wurde, welche PKWs konkret betroffen waren. Zum anderen, weil der Mitteilung auch nur entnommen werden kann, dass der Rückruf seine Ursache in „Unregelmäßigkeiten der verwendeten Software“ hatte. Der Mitteilung konnte nach zutreffender Ansicht des Gerichtes nicht entnommen werden, dass der Rückruf seine Ursache in einem eklatanten und wissentlichen Verstoß gegen einschlägige EU-Normen hatte. Im Gegenteil, dort heißt es sogar, dass die Beklagte „keine Gesetzesverstöße“ dulde. Es konnte der Mitteilung insoweit nicht einmal entnommen werden, dass das Abgasverhalten durch die beanstandete Software verändert wurde. Dort war lediglich von einer „auffälligen Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb“ die Rede, deren Ursachen letztlich unklar blieben.

Nach Ansicht des Gerichts hatte die Beklagte, die Volkswagen AG, nicht ausreichend dargelegt, welche konkreten Presseberichte, genauer gesagt Berichte aus Funk und Fernsehen der Kläger zur Kenntnis genommen haben soll und wie ihm daraus ein Schluss auf die Haftung der Beklagten wegen sittenwidriger Schädigung möglich gewesen sein soll. Der allgemeine Hinweis auf solche Veröffentlichungen erlaubt nach Ansicht des Gerichtes nicht zwingend den Schluss, dass der Kläger diese auch verfolgte, zumal zu diesem Zeitpunkt die Verwicklung von Vorständen und leitenden Mitarbeitern ungeklärt war. Das Gericht wies auch darauf hin, dass der amtliche Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt (KBA) erst am 15.10.2015 erfolgte. Der Kläger konnte den Rückschluss, dass auch sein Fahrzeug betroffen war, erst ziehen, als sein eigenes Fahrzeug mit Anschreiben im Jahr 2016 zurückgerufen wurde und ihm mitgeteilt wurde, dass ein Aufspielen des Softwareupdates notwendig sei.

Der Kläger handelte nach Ansicht des Gerichtes auch nicht grob fahrlässig, weil er nicht unmittelbar nach den ersten Presseberichten und Mitteilungen der Beklagten weiter nachforschte. Den notwendigen schweren Obliegenheitsverstoß in eigenen Angelegenheiten sah das Gericht schon deshalb nicht, weil Ende 2015 viele Tatsachen und die für den Einbau der unzulässigen Abschalteinrichtung Verantwortlichen ungeklärt waren. So konnte der Kläger nicht daraus schließen, dass ihm gegebenenfalls Ansprüche aus unerlaubter Handlung gegen die Beklagte zustehen, weil sein Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen wäre. Zudem hätte er aufgrund der Ankündigung der Beklagten, technische Maßnahmen zur Beseitigung durchzuführen, auch darauf vertrauen dürfen und war dadurch gerade nicht veranlasst weiter nachzuforschen.

Fazit der Entscheidung – Verjährung zum Jahresende 2019

Durch das Urteil werden die Rechte geschädigter PKW-Eigentümer des VW-Abgasskandals weiter gestärkt. Dies gilt vor allem für solche Eigentümer, die sich nicht am Musterfeststellungsverfahren beteiligt haben und die nicht im Jahr 2015 durch ein Schreiben des Herstellers oder des Kraftfahrtbundesamtes informiert wurden.

In vielen Fällen – wie dem Fall, dem das aktuelle Urteil des Landgerichts Stuttgart zugrunde liegt – droht die Verjährung der Ansprüche im Dieselskandal gegenüber Volkswagen zum Jahresende 2019. Die drohende Verjährung betrifft Schadensersatzansprüche von Autobesitzern, die ein Fahrzeug der Marken VW, Porsche, Audi, Seat und Skoda mit dem Motorentyp EA 189 besitzen und die im Jahr 2016 von VW oder vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) darüber informiert wurden, dass in ihrem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut wurde. Aber auch die absolute Verjährung zehn Jahre nach dem Kauf des Fahrzeugs müssen Autobesitzer beachten.

Betroffene VW-Kunden sollten daher jetzt handeln und eine Hemmung der Verjährung ihrer Ansprüche im Dieselskandal einleiten. Das geht am einfachsten und sichersten über die Einreichung einer Klage rechtzeitig vor dem Jahresende.

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