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Streit um Schrottimmobilien Schlussanträge des Generalanwalts vor dem Europäischen Gerichtshof

Veröffentlicht am 06. Juni 2005

Am Donnerstag 02. Juni 2005 hat Philipp Legér der Generalanwalt beim EuGH die Stellungnahme zu den Vorabentscheidungsersuchen des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen abgegeben. Wir hatten an dieser Stelle ausführlich über die Verhandlung des Europäischen Gerichtshofs in dieser Sache am 17.03.2005 berichtet.

Die drei streitigen Fälle betreffen typische Erwerbermodellfinanzierungen bei Steuersparimmobilien. Die Vermarktung und Finanzierung dieser Hotelappartements erfolgte nach dem üblichen Strickmuster. Vermittler sind auf die Erwerber zugegangen und haben diese in einer Haustürsituation sowohl zum Erwerb der Wohnung als auch zum Abschluss des Darlehensvertrags überredet. Die Darlehensverträge hatten diese Vermittler gleich im Paket mit der Wohnung angeboten; eine Beratung durch die Bank war nicht erfolgt.

Gegenstand der Vorlagefragen

  • Voraussetzungen des Widerrufsrechts
  • Auswirkungen des Widerrufs auf den Darlehensvertrag

Voraussetzungen des Widerrufs

Der Generalanwalt hat hierzu festgestellt dass die Voraussetzung einer Zurechenbarkeit der Haustürsituation mit der Richtlinie nicht vereinbar sei. Es kommt somit allein auf das objektive Vorliegen einer Haustürsituation an. Subjektive Kriterien sind also nicht entscheidend insbesondere nicht ob die Bank das Handeln des Vermittlers kannte oder kennen musste.

Dieses Ergebnis erweist sich als großer Vorteil für den Verbraucher da die von den deutschen Gerichten geforderte Zurechnung oft nur schwer darzulegen war.

Rückzahlungspflicht

Der Generalanwalt ist hier der Meinung dass der Darlehensnehmer über den Darlehensbetrag frei verfügen konnte da dieser aufgrund der Anweisung des Darlehensnehmers direkt von der Bank an die Immobiliengesellschaft gezahlt wurde. Der Generalanwalt unterstellt hierbei – nach unseren Erfahrungen allerdings völlig zu Unrecht – dass der Verbraucher frei entscheiden konnte die Darlehensvaluta für den Kauf des Appartements zu verwenden. Der Generalanwalt ist somit der Meinung dass die Artikel 5 und 7 der Richtlinie einer nationalen Vorschrift nicht entgegenstehen die im Fall des Widerrufs des Kreditvertrags die Verpflichtung für den Verbraucher vorsieht die Darlehensvaluta an das Kreditinstitut zurückzuzahlen wenn diese auf Anweisung des Darlehensnehmers unmittelbar vom Kreditinstitut an den Immobilienverkäufer ausbezahlt wurde.

Der Verbraucher hat somit nach Meinung des Generalanwalts die Verpflichtung das Darlehen an das Kreditinstitut zurückzuzahlen.

Pflicht zur sofortigen Rückzahlung

Das Hanseatische Oberlandesgericht hatte die sofortige Rückzahlungspflicht in Frage gestellt da dies im Allgemeinen zur Zahlungsunfähigkeit des Verbrauchers führe und so mit der praktischen Wirksamkeit der Richtlinie unvereinbar sei.

Auch hier teilt der Generalanwalt die Ansicht des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen nicht sondern schlägt dem Gerichtshof vor dass die Richtlinie einer nationalen Vorschrift nicht entgegenstehe die im Falle des Widerrufs eines Darlehensvertrags die Verpflichtung für den Verbraucher vorsieht die aufgrund dieses Vertrags erhaltenen Beträge sofort an das Kreditinstitut zurückzuzahlen.

Zur marktüblichen Verzinsung der Darlehensvaluta

Das Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen hatte die Vorlagefrage gestellt ob es mit Artikel 5 und 7 der Richtlinie vereinbar ist dass das Darlehen nicht nur zurückgezahlt wird sondern auch die marktüblichen Zinsen für die Beträge vom Verbraucher zu zahlen sind.

Der Generalanwalt ist der Ansicht dass die Richtlinie grundsätzlich nicht einer nationalen Vorschrift entgegenstehe die im Fall des Widerrufs eines Darlehensvertrags die Zahlung gesetzlicher Zinsen vorsieht (hier spricht Philipp Léger von gesetzlichen Zinsen). Der Generalanwalt hält diese Lösung jedoch auf die vorliegenden Fälle für nicht übertragbar. Bekanntlich ist zwischen dem Abschluss des Darlehensvertrags und dem Widerruf erhebliche Zeit verstrichen. Die Richtlinie legt der Bank jedoch besondere Verantwortung auf und verlangt dass die Bank den Verbraucher über das Widerrufsrecht zu belehren hat und sieht vor dass die Frist zur Ausübung des Widerrufsrechts erst nach ordnungsgemäßer Belehrung zu laufen beginnt. Die Wirksamkeit des Widerrufsrechts hängt daher ausschließlich von der Sorgfalt der Bank ab der Verpflichtung aus der Richtlinie nachzukommen.

Aus diesem Grunde ist der Generalanwalt der Meinung dass die Bank die Zahlung von Verzugszinsen nicht verlangen kann solange sie ihre eigenen Verpflichtungen nicht erfüllt hat.

Deshalb hat der Generalanwalt dem Gerichtshof vorgeschlagen die 4. Vorlagefrage dahingehend zu beantworten dass Artikel 5 und 7 der Richtlinie der Anwendung einer nationalen Vorschrift entgegenstehe die im Falle des Widerrufs eines Darlehensvertrags die Verpflichtung für den Verbraucher vorsieht die marktüblichen Zinsen (hier spricht Philipp Léger wieder von marktüblichen Zinsen) für die aufgrund dieses Vertrags erhaltenen Beträge zu zahlen solange die Bank den Verbraucher nicht ordnungsgemäß über sein Recht den Vertrag innerhalb der hierfür vorgesehenen Frist zu widerrufen belehrt hat.

Einschätzung der weiteren Entwicklung

Zusammenfassend ist festzustellen dass hier vom Generalanwalt wohl eine Kompromisslösung im jahrelang andauernden Streit um die Finanzierung der sogenannten Schrottimmobilien herbeigeführt werden sollte. Die Stellungnahme enthält sowohl für den Verbraucher positive als auch für den Verbraucher negative Punkte. Durch die Pflicht zur sofortigen Rückzahlung des Darlehensbetrags wird eine komplette Rückabwicklung unmöglich gemacht. Die positiven Punkte der Stellungnahme dürfen allerdings nicht unterschätzt werden.

Zum einen wird die Position des Verbrauchers durch den Wegfall der Zurechnung der Haustürsituation zur Bank erheblich verbessert. Die Darlegung der Zurechnung stellte eine hohe Hürde dar.

Zum anderen ist eine Rückzahlungspflicht nicht in allen Fällen gegeben. Der Generalanwalt stellt ausdrücklich fest dass die Rückzahlung nur dann zu erfolgen hat wenn der Darlehensbetrag auf Anweisung des Darlehensnehmers unmittelbar vom Kreditinstitut an den Immobilienverkäufer ausgezahlt wurde. Wenn hier ein vollmachtloser Vertreter aufgetreten ist wird sich keine Rückzahlungspflicht des Darlehensnehmers ergeben.

Ein weiterer Vorteil ist die Feststellung des Generalanwalts dass der Darlehensnehmer den Darlehensbetrag nicht zu verzinsen braucht. Unklar ist allerdings hier ob der Generalanwalt feststellt dass nicht der marktübliche Zins geschuldet wird oder ob die Feststellung sich darauf bezieht dass überhaupt keine Zinsen geschuldet werden. Der Generalanwalt verwendet in seiner Stellungnahme zur 4. Vorlagefrage unterschiedliche Begriffe. Es wird vom marktüblichen Zins vom gesetzlichen Zins und sogar vom Verzugszins gesprochen. Die Auslegung ergibt allerdings dass hier aller Wahrscheinlichkeit nach festgestellt wurde dass die Darlehenssumme vom Verbraucher überhaupt nicht verzinst werden muss.

Da die meisten Darlehensverträge schon mehr als 10 Jahre laufen kann der Darlehensnehmer hier mit erheblichen Beträgen gegen die Darlehenssumme aufrechnen. Nicht zu vergessen ist die Tatsache dass auch weder Disagio noch sämtliche Bearbeitungsgebühren vom Darlehensnehmer geschuldet sind.

In vielen Fällen wird die Rückzahlungspflicht des Darlehensnehmers längst verjährt sein; das ist dann der Fall wenn der Widerruf des Darlehensnehmers vor mehr als 4 Jahren erklärt wurde.

Ein weiterer Vorteil ist darin zu sehen dass bei einem bestehenden Darlehen der Anspruch auf Rückzahlung von Zins Disagio und Bearbeitungsgebühren zwar gegebenenfalls verjähren kann. Der Darlehensnehmer kann allerdings mit diesen Beträgen gegen den Zahlungsanspruch der Bank aufrechnen.

Zusammengefasst ist festzustellen dass die Stellungnahme zwar hinter den Erwartungen der Verbraucheranwälte zurückgeblieben ist. Falls der Europäische Gerichtshof der Stellungnahme des Generalanwalts folgt (was meistens der Fall ist) hat sich die Rechtslage doch deutlich zugunsten der Erwerber von Schrottimmobilien verbessert. Es kann allen Betroffenen deshalb nur empfohlen werden den Fall von einem spezialisierten Anwalt prüfen zu lassen und die Rechte gegen die Bank geltend zu machen.

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