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Viele Anleger von Bausparverträgen sind in jüngster Zeit zunehmend beunruhigt. Der Grund: Immer mehr Bausparkassen gehen laut Medienangaben dazu über, hoch verzinste Bausparverträge zu kündigen. Von der Kündigung betroffen sind dabei vor allem solche Altverträge, die bereits seit mindestens 10 Jahren zuteilungsreif sind.
Lange Zeit galten Bausparverträge in Deutschland als attraktive und populäre Form der Geldanlage. Schätzungen der Verbraucherzentralen zufolge gab es im Jahr 2014 ca. 30 Millionen Bausparverträge. Dies entspricht umgerechnet in etwa ¾ aller deutschen Haushalte. Gerade mit Verträgen, die vor 20 Jahren oder früher abgeschlossen wurden, ließen sich für die Anleger Renditen bis zu 3 % erzielen.
Bei einem Bausparvertrag handelt es sich um einen langfristigen Sparvertrag zwischen Anleger (Bausparer) und Bausparkasse. Der Bausparvertrag beläuft sich immer auf eine festgelegte Bausparsumme. Bausparen unterscheidet sich von einem regulären Immobiliendarlehen dadurch, dass es sich in mehrere Phasen unterteilt. Das Bausparen ist in drei Phasen gegliedert:
Nachdem die Bausparsumme vereinbart wurde, wird regelmäßig Geld auf das Bausparkonto eingezahlt, meist monatlich. Es wird ein Mindestsparbetrag und Regelsparbetrag festgelegt, der bestimmt, wann der Bausparvertrag zuteilungsreif ist.
Ist diese Geldsumme (= Mindestsparbetrag, liegt in der Regel bei 40 oder 50% der Bausparsumme) erreicht, ist der Bausparvertrag zuteilungsreif.
Ab diesem Zeitpunkt kann über die komplette Bausparsumme (Bauspardarlehen von entsprechend 60 bzw. 50 Prozent) als Darlehen verfügt werden. Zu welchem Zinssatz man dieses Bauspardarlehen in Anspruch nehmen kann, wird bereits bei Abschluss des Bausparvertrags festgelegt (meistens relativ günstiger Darlehenszinssatz).
Die Besonderheit: Die Tilgung ist flexibler als bei anderen Darlehen, da man die Rate beliebig anpassen kann.
Die seit dem Jahr 2007 am häufigsten vorkommende Form ist laut einem Bericht des Onlineportal t-online.de die Kündigung von voll besparten Bausparverträgen. Dabei werden solche Bausparverträge gekündigt, bei denen die Ansparsumme und somit der eigentliche Zwecks des Vertrages – die Erlangung eines Bauspardarlehens – erreicht ist. Nimmt beispielsweise ein Anleger nach Ablauf der Ansparphase kein Immobiliendarlehen auf,
sondern setzt die Weitersparung fort, entfällt das Recht auf Inanspruchnahme des Darlehens, wenn die vereinbarte Bausparsumme erzielt worden ist. In diesem Falle – so die überwiegende Gerichtsauffassung – ist die Kündigung des Bausparvertrages rechtens. Die Kündigungsfrist beträgt laut § 15 II a ABB (Allgemeine Musterbausparbedingungen) in diesem Falle drei Monate.
Weitaus umstrittener und rechtlich noch nicht abschließend geklärt ist laut dem t-online.de Bericht dagegen die Frage, ob und inwieweit die Kündigung eines noch nicht voll angesparten und somit auch noch nicht zuteilungsreifen Bausparvertrages zu behandeln ist.
Verbraucherschützern zufolge wäre eine Kündigung in diesem Falle als nicht wirksam zu erachten da – anders als bei der Kündigung eines bereits zuteilungsreifen Altvertrages – der Zweck des Bausparvertrages immer noch erreicht werden könne.
Die Bausparkassen setzen dem ihr gesetzliches Kündigungsfrist für den Fall, dass nach Eintritt der Zuteilungsreife bereits 10 Jahre vergangen seien, entgegen. Dabei berufen sie sich auf die Vorschrift des € 489 I Nr. 2 BGB, wonach der Darlehensnehmer (in diesem Falle die Bausparkasse) berechtigt ist, das – in Form der Sparraten durch den Bausparer gezahlte – Darlehen zu kündigen, sobald 10 Jahre nach Ablauf des Empfangs verstrichen seien. Dabei – so die weitere Argumentation der Bausparkassen – beginne die Frist mit Eintritt der ersten Zuteilungsreife.
Neben der rechtlichen Komponente sehen sich die Bausparkassen in deren Kündigungspraxis laut eigenem Selbstverständnis als Wahrer der Solidargemeinschaft unter den Bausparern. Indem man den ihren Bausparvertrag lediglich aus Renditegesichtspunkten weiterlaufen lassenden und sich somit „unsolidarisch“ gegenüber der Masse an Bausparern verhaltenden Bausparern kündige , werde – so das eigene Leitbild – das „Kollektiv der Sparer“ gewahrt.
Recherchen der diese Auffassung heftig kritisieren Verbraucherschutzzentrale Baden-Württemberg zufolge, betrifft die derzeitige Kündigungswelle gerade einmal 1,7 % aller Bausparverträge. Nach Ansicht der baden-württembergischen Verbraucherschützer stelle die derzeitige Kündigungswelle für keine der betroffenen Bausparkassen eine Exisenzgefährdung dar. Einziger Motivgrund für die Kündigung sei die Gewinnoptimierung.
Die Verbraucherschutzzentrale sieht das derzeitige Problem der Bausparkassen als „hausgemacht“ an: So hatten die Bausparkassen noch vor wenigen Jahren neue Bausparkunden sowohl mit günstigem Baugeld als auch mit hohen Renditen beworben. Dabei – so das Fazit der baden-württembergischen Verbraucherschützer – habe man den Bausparern auch eine Geldanlage mit einem festen Zins verkauft. Ein Kündigungsrecht für den Fall sinkender Zinsen sei in dem seinerzeitigem Geschäftsmodell der Bausparkassen nicht vorgesehen gewesen. Dieses Risiko falle jedoch in den Verantwortungsbereich der Bausparkassen und dürfe – wie aktuell praktiziert – nicht auf die Bausparer abgewälzt werden.
Es gibt mittlerweile erste interessante und wichtige Urteile zugunsten der Verbraucher. Das Amtsgericht Ludwigsburg hat entschieden, dass die ausgesprochene Kündigung der Wüstenrot Bausparkasse den Bausparvertrag nicht beenden konnte (Urteil vom 7. August 2015, Az. 10 C 1154/15). Der Bausparkasse stehe kein Kündigungsrecht zu. Das Gericht begründet seine Auffassung sehr überzeugend und setzt sich auch mit den bisher ergangenen Urteilen anderer Gerichte kritisch auseinander. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Landgericht Stuttgart wird sich in der Berufung damit auseinandersetzen (Az. 4 S 249/15).
Auch das Landgericht Karlsruhe hat zugunsten des Bausparers entschieden und die Kündigung der Badenia Bausparkasse für unwirksam erklärt (Urteil vom 9. Oktober 2015, Az. 7 O 126/15).
Als erstes deutsches Oberlandesgericht hat sich das OLG Stuttgart in zwei im ersten Jahresdrittel ergangenen Entscheidungen deutlich zugunsten der betroffenen Bausparer positioniert. In dessen ersten Entscheidung vom 30.03.2016 (Az.: 9 U 171/15) gab es einer Bausparerin Recht, die sich in der Vorinstanz vergeblich gegen die seitens der Wüstenrot Bausparkasse ausgesprochene Kündigung ihres zuteilungsreifen, aber noch nicht voll besparten Bausparvertrages gewandt hatte.
Nach Ansicht des OLG Stuttgart war die auf die Vorschrift des § 489 I Nr. 2 BGB gestützte Kündigung rechtswidrig. In dessen Begründung führte das OLG Stuttgart aus, dass sich die beklagte Bausparkasse auch dann nicht auf die analoge Anwendung des gesetzlichen Kündigungsrechts nach § 489 I Nr. 2 BGB berufen könne, wenn wie im vorliegenden Falle die überlange Vertragsdauer auf einer vertragswidrigen Einstellung der Sparraten durch die Klägerin beruhe. Die beklagte Bausparkasse könne – so die Auffassung der OLG Richter – dann nicht als schutzbedürftig erachtet werden, wenn sie zuvor das faktische Ruhen des Bausparvertrages stillschweigend toleriert und nicht von deren vertraglichem Kündigungsrecht Gebrauch gemacht habe.
In einem weiteren ebenfalls zwischen einer klagenden Bausparerin und der Wüstenrot Bausparkasse geführten Verfahren stellte sich das OLG in dessen Entscheidung vom 04.05.2016 (Az.: 9 U 230 / 15) erneut auf die Seite der Bausparer und erklärte die streitgegenständliche Kündigung für rechtswidrig.
Der für Bankrecht zuständige 17. Zivilsenat des OLG Karlsruhe hat sich ebenfalls auf Seiten der Bausparer gestellt und die Kündigung eines Bausparvertrages durch die Bausparkasse mit seinem Urteil vom 8.11.2016 (Az. 17 U 185/15) für unwirksam erklärt. Als Begründung führten die OLG Richter aus, dass der beklagten Bausparkasse im vorliegenden Falle kein gesetzliches Kündigungsrecht nach § 489 I Nr. 2 BGB zustünde.
Dass die Thematik Kündigung Bausparvertrag auch in der Presse große Resonanz erfährt, macht der das vorgenannte OLG Karlsruhe Urteil thematisierene Focus Online Bericht vom 08.11.2016 deutlich.
Neben den in diesem Jahr zugunsten der Bausparer ergangenen verbraucherfreundlcihen Urteilen (s.o.) stützen Verbraucherschützer ihre Hoffnung auch auf ein aktuelles Gutachten des Frankfurter Rechtsprofessors Tobias Tröger.
Einem am 21.09.2016 erschienenen Bericht des Onlineportals Fonds-Online zufolge, widerspricht nach Ansicht des Frankfurter Rechtsprofessors die seitens der Bausparkassen angewandte Auslegung des § 489 BGB dem Willen des Gesetzgebers. Den Bausparkassen – so das Fazit von Professor Tröger – stehe daher weder ein ordentlicher noch ein außerordentlicher Kündigungsgrund zu.
Zudem würde der seitens der Bausparkassen angewandte Sonderkündigungsgrund der Aufgabe der Bausparkassen, das Risiko von Zinsänderungen in deren Geschäft zu berücksichtigen, nicht gerecht. Ein Sonderkündigungsrecht würde nach Trögers Auffassung den Bausparkassen den Anreiz nehmen, Zinsänderungen in deren Verträge einzukalkulieren. In guten Zeiten Gewinne einzustreichen und in schlechten Zeiten einzustreichen widerspreche nach Meinung Trögers eindeutig dem gesamtwirtschaftlichen Interesse.
Entegen der mit den obergerichtlichen Entscheidungen gehegten Hoffnungen auf eine Verbraucher freundliche Entscheidung hat sich der BGH mit Urteilen vom 21.02.2017 (Az.: XI ZR 185/16 und XI ZR 272/16) der Auffassung der Bausparkassen angeschlossen und die vorzeitige Kündigung von länger als 10 Jahren zuteilungsreifen Altverträgen als rechtens erachtet.
Wie das Portal T-Online am 05.12.2016 berichtet, müssen sich etliche Bausparer der LBS Südwest 2020 auf eine neue Kündigungswelle einstellen. Hintergrund ist eine 2005 von der LBS Südwest eingeführte Klausel, wonach Verträge nach Ablauf von 15 Jahren gekündigt werden können, sofern sie bis dahin nicht in Darlehen worden sind.
Laut dem T-Online Bericht hatte die Verbraucherschutzzentrale Baden-Württemberg Klage gegen die LBS Südwest eingereicht, nachdem selbige die Frist für eine Unterlassungserklärung hatte verstreichen lassen. Nun muss das Landgericht Stuttgart über die Rechtmäßigkeit der Klausel entscheiden. Über das für den 23.02.2017 terminierte Verfahren werden wir an dieser Stelle weiter berichten.
Recherchen von T-Online zufolge müssen nicht nur die in Baden-Württemberg und Rheinland Pfalz beheimateten Kunden der LBS Südwest mit einer Kündigungswelle rechnen. Neben der Badenia hatte auch der Verband der Privaten Bausparkassen die umstrittene Kündigungsklausel 2013 in deren Musterverträge übernommen.
Nachdem auch hier die Verbraucherschutzzentrale beide Parteien erfolglos abgemahnt hatte, werden nach bereits erfolgter Klageeinreichung die angerufenen Gerichte über die Rechtmäßigkeit der Kündigungsklausel entscheiden müssen. Über den Verfahrensverlauf werden wir an dieser Stelle ebenfalls informieren.
Weitaus früher als die Kunden der vorgenannten Institute dürften Bausparer der LBS Bayern in den kommenden Monaten unliebsame Post in deren Briefkasten wiederfinden: Wie das Onlineportal Fonds-Online am 06.12.2016 berichtet, plant die LBS Bayern bereits schon in den kommenden Monaten, Kunden, die die volle Bausparsumme angespart oder seit mehr als 10 Jahren kein Bauspardarlehen aufgenommen haben, das Vertragsverhältnis zu kündigen.
Dass die Thematik auch im neuen Jahr nicht an Brisanz verloren hat, macht ein am 04.01.2017 auf dem Portal von Fonds Online erschiener Beitrag deutlich: Danach wollen viele Bausparkassen die für dieses Jahr erwartete abschließende Entscheidung des BGH nicht abwarten, sondern halten unvermindert an deren Kündigungen von Altverträgen fest. Der Verband der Bausparkassen – so heißt es in dem Artikel weiter – sieht sich diesbezüglich schon aus Gründen der Gleichbehandlungen der Bausparer im Recht.
Auch nach der Pleite vor dem BGH droht Kunden von Bausparkassen weiteres Ungemach: Wie Fonds Online in dessen Ausgabe vom 03.03.2017 berichtet, hatte die Bausparkasse Aachen angekündigt, auch solche Altverträge kündigen zu wollen, bei denen nach Eintritt der Zuteilungsreife noch keine 10 Jahre vergangen sind.
Wie Fonds Online weiter berichtet, sehen die Verantwortlichen der Aachener Bausparkasse in der sich zu ihren Ungunsten geänderten Zinspolitik der Europäischen Zentralbank eine nachhaltige Störung der zwischen Bausparkasse und Bausparnehmen bestehenden Geschäftsgrundlage. Wenn nämlich – so die seitens Verbraucherschützern heftig kritisierte Ansicht – infolge der Niedrigzinsphase die Bausparkasse für bestimmte Altverträge mehr Guthabenzinsen zahlen müsse, als sie für Bauspardarlehen an Zinsen erhalte, sei hierdurch deren Existenz per se gefährdet.
Außer den beiden vorgenannten Fällen kommen laut Einschätzung der Verbraucherschutzzentrale Baden-Württemberg in der täglichen Praxis noch weitere Kündigungsgründe in Betracht:
In beiden Fällen hängt die Rechtmäßigkeit der Kündigung von dem Wortlaut der jeweiligen Vertragsbedingung ab. Diese sollten betroffene Bausparer im Einzelfall immer durch einen spezialisierten Fachanwalt überprüfen lassen (s.u.).
Nicht immer ist es gleich eine Kündigung, die Streit zwischen Bausparern und Bausparkassen hervorrufen kann. Wie die Auswertung der Verbraucherschutzzentrale Baden-Württemberg deutlich macht, sind die Bausparkassen sehr kreativ, wenn es darum geht, die die Gewinnmargen schmälernden Zinszahlungen an Kunden gut verzinster Bausparverträge zu reduzieren:
Nicht nur die auf sie mit unverminderter Kraft zurollende Kündigungswelle bereitet Bausparkassen Kunden Grund zur Sorge: Wie die Portale T-Online und FAZ Online in deren Ausgaben vom 06.02.2017 berichten, sind etliche Bausparkassen angesichts sinkender Erträge dazu übergegangen, für Alteverträge den Kunden jährliche Servicepauschalen in Rechnung zu stellen. Laut T-Online und FAZ Online Berichten fürchten Verbraucherschützer, dass diese Praxis in Kürze etliche Nachahmer bei anderen Bausparkassen finden könnte.
Betroffene Bausparer sollten im Falle einer ergangenen Kündigung oder in einem der im vorherigen Absatz aufgeführten Fallkonstellationen unbedingt einen auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierten Fachanwalt konsultieren und deren individuellen Fall umfassend überprüfen lassen.
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