Was ist ein Kapitalanlage-Musterverfahren und wie läuft es ab?
Grundsätzlich ist die deutsche Zivilprozessordnung in ihrer Konzeption auf Einzelverfahren und die Geltendmachung von Einzelansprüchen zugeschnitten. Das deutsche Gesetz über Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten (Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz – KapMug) ermöglicht geschädigten Kapitalanlegern – und anlegerinnen, ihre Schadensersatzansprüche leichter durchzusetzen, indem es Musterverfahren zulässt. Im Musterverfahren können Tatsachen- und Rechtsfragen, die sich in mindestens zehn individuellen Schadensersatzprozessen gleichlautend stellen, einheitlich und mit Bindungswirkung für alle Kläger:innen entschieden werden. Anders als die Musterfeststellungsklage zielt ein KapMuG-Verfahren speziell auf die Geltendmachung kapitalmarktrechtlicher Schadensersatzansprüche.
Das Procedere für ein KapMuG-Verfahren sieht vor, dass dem zuständigen Oberlandesgericht durch ein Landgericht ein KapMuG-Verfahren vorgeschlagen wird. Dies ist mit dem Vorlagebeschluss geschehen. Damit ist das Musterverfahren formal eingeleitet. Der Vorlagebeschluss fasst die sogenannten Feststellungsziele, die die gemeinsamen Fragen, die alle Verfahren betreffen, und den Sachverhalt zusammen. Der Beschluss ist unanfechtbar und für das Oberlandesgericht München bindend.
Anschließend wird das Gericht die Eröffnung des KapMuG im Klageregister öffentlich bekannt geben. Dieser Zeitpunkt ist für geschädigte Wirecard-Aktionär:innen wichtig, denn zu diesem Zeit beginnt die 6-Monatige Frist für die Anmeldung zu laufen. Durch eine Anmeldung wird die Verjährung der Ansprüche bis zum Abschluss des Musterverfahrens gehemmt. Ohne Anmeldung oder andere verjährungshemmende Maßnahmen wie Klageerhebung drohen Ansprüche der Geschädigten im Wirecard-Skandal Ende des Jahres 2023 zu verjähren.
Geschädigte sollten die wichtige Frist ab Veröffentlichung im Bundesanzeiger nicht versäumen. Betroffene, die bislang keine Einzelklage eingereicht haben, können sich jetzt schon registrieren und so sichergehen, keine wichtige Fristen zu versäumen.
Sammelklage Wirecard: Zur kostenfreien Registrierung
Sammelklage Wirecard: Hintergrund zum Fall
Im Juni 2020 gab die Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (EY) als langjährige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Abschlussprüfer der Wirecard AG bekannt, dass der Jahresabschluss unter anderem deshalb nicht testiert werden könne, weil ordnungsgemäße Prüfnachweise fehlten. In einer Ad-Hoc-Mitteilung teilte der Vorstand der Wirecard AG am 22.06.2020 mit, weiteren Prüfungen zufolge sei unwahrscheinlich, dass Bankguthaben auf Treuhandkonten auf den Philippinen in Höhe von insgesamt 1,9 Mrd. EUR existierten.
Ausführliche Informationen zum Wirecard-Skandal, welche Folgen die Insolvenz für Betroffene hat und ob und gegen wen betroffene Anleger einen Anspruch auf Entschädigung haben, lesen Sie hier:
Anwalt Wirecard: Schadensersatz für Aktionäre