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Schadensersatz für Derivest-Nachrangdarlehen: Landgericht Hof verurteilt Finanzvermittler wegen fehlerhafter Beratung

In einem von unserer Kanzlei geführten Verfahren hat das Landgericht Hof erneut einen Finanzvermittler zur Zahlung von Schadensersatz an einen Derivest-Geschädigten verurteilt (Urteil vom 20.05.2025, Az. 37 O 356/23, noch nicht rechtskräftig). Es ist bereits das zweite Urteil zugunsten eines geschädigten Derivest-Anlegers: Im September 2024 hatte das LG Hof in einem anderen Fall entschieden, dass ein Finanzberater einem Anleger wegen fehlerhafter Anlageberatung seinen Zeichnungsschaden erstatten muss.
Schadensersatz für Derivest-Nachrangdarlehen – Risikoreiche Kapitalanlage
Unser Mandant, der Erbe seiner während des Verfahrens verstorbenen Ehefrau ist, hat im Jahr 2015 auf Empfehlung des Beklagten ein Nachrangdarlehen über 30.000 Euro bei der Derivest GmbH gezeichnet. Die Anlage wurde durch den langjährigen Finanzvermittler des Klägers vermittelt, der früher auch als Bankberater tätig war. Ziel der Anlage war laut Kläger die Altersabsicherung seiner Ehefrau, die lediglich über eine geringe Rente verfügte. Die Derivest GmbH versprach Zinsgewinne von 6 % jährlich durch Investitionen in Wald, Immobilien und erneuerbare Energien.
In Wahrheit war die Kapitalanlage jedoch mit einem erheblichen wirtschaftlichen Risiko behaftet, das sich durch eine Nachrangabrede sowie eine vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre noch verschärfte. Bereits im Jahr 2016 wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs und Untreue gegen die Verantwortlichen der Anlagegesellschaft eingeleitet. 2019 folgte die Insolvenz der Derivest GmbH.
Aufklärungspflicht verletzt: Risiken der Nachrangdarlehen unzureichend erläutert
Zunächst stellte das Gericht klar, dass zwischen dem Kläger und dem Beklagten ein Anlageberatungsvertrag zustande gekommen war. Aufgrund des langjährigen Vertrauensverhältnisses zwischen den Parteien habe der Kläger eine anleger- und objektgerechte Beratung erwarten dürfen.
Nach Auffassung des Gerichts hat der Finanzvermittler seine Pflichten aus dem Beratungsvertrag verletzt. So seien das erhebliche Totalverlustrisiko und die Besonderheiten des qualifizierten Nachrangs (z. B. vorinsolvenzliche Durchsetzungssperre, fehlende Einflussrechte) nicht ausreichend erläutert worden. Auch Hinweise auf die eingeschränkte Fungibilität und die Eigenkapitalähnlichkeit der Anlage hätten zwingend erfolgen müssen. Diese Aufklärung sei hier unterblieben.
Prospektübergabe ersetzt keine persönliche Risikoaufklärung
Zwar behauptete der Beklagte, er habe sämtliche Risiken anhand des Emissionsprospekts erläutert, doch das Gericht schenkte der glaubhaften Schilderung des Klägers mehr Vertrauen. Selbst wenn der Prospekt rechtzeitig übergeben worden wäre – was der Kläger bestritt –, sah das Gericht darin keinen ausreichenden Risikoausweis. Die Hinweise darin seien für durchschnittliche Privatanleger unverständlich und machten die Risiken nicht deutlich. Insbesondere fehle eine klare Darstellung der wirtschaftlichen Tragweite des Rangrücktritts und der vertraglich vereinbarten Zahlungsvorbehalte.
Plausibilitätsprüfung unterlassen oder bewusst risikobehaftete Empfehlung
Das Gericht stellte zudem fest, dass der Beklagte entweder keine ausreichende Plausibilitätsprüfung durchgeführt hat oder die Anlage trotz Kenntnis des Risikoprofils bewusst empfohlen hat. Beides begründet eine Haftung. Als nicht juristisch geschulter Vermittler musste der Beklagte zwar nicht zwingend die rechtliche Unwirksamkeit der Nachrangklausel erkennen, er hätte aber die grundsätzliche Risikoungeeignetheit für den Kläger und dessen Ehefrau erkennen müssen.
Kein Vertrauensschutz durch Unterschriften auf Gesprächsprotokollen
Auch die unterzeichneten Gesprächsprotokolle entlasten den Beklagten nicht. Der Bundesgerichtshof hat bereits klargestellt, dass Anleger nicht verpflichtet sind, durch ihre Unterschrift auf einem Formular im Nachhinein die Richtigkeit einer mündlichen Beratung zu überprüfen. Ausschlaggebend sei allein die tatsächliche Beratungssituation, und diese sprach nach Überzeugung des Gerichts gegen den Beklagten.
Im Ergebnis verurteilte das Landgericht Hof den Finanzvermittler zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 24.379,59 Euro nebst Zinsen. Der Betrag entspricht der ursprünglichen Zeichnungssumme abzüglich erhaltener Ausschüttungen.
Kriselnde Kapitalanlagen – Kostenfreie Ersteinschätzung vom Anwalt
Finanzvermittler, die hochriskante Nachrangdarlehen empfehlen, müssen ihre Kunden vollumfänglich und individuell über die damit verbundenen Risiken aufklären. Eine formale Prospektübergabe oder die bloße Unterschrift auf einem Standardformular ersetzt keine ordnungsgemäße Beratung. Anleger können sich auch Jahre später noch erfolgreich zur Wehr setzen, insbesondere dann, wenn ihnen eine wirtschaftlich nicht tragfähige Kapitalanlage empfohlen wurde.
Wir unterstützen Betroffene bei der Durchsetzung möglicher Ansprüche. Für eine kostenlose Prüfung Ihrer Möglichkeiten können Sie unseren Online-Fragebogen ausfüllen. Das Ergebnis der Prüfung teilen wir Ihnen anschließend schriftlich mit. Sollten Sie über eine Rechtsschutzversicherung verfügen, übernehmen wir auch die Deckungsanfrage zur Klärung der Kostenfrage.
Für weitere Fragen stehen wir Ihnen auch gerne telefonisch unter 0711 9308110 oder über unser Kontaktformular zur Verfügung.