Stille Beteiligungen in der Insolvenz
Zahlreiche insolvenzrechtliche Fragestellungen treten bei den Kapitalanlagen in Form von stillen Beteiligungen auf. Stille Beteiligungen sind meist als Einmalanlagen konzipiert, in einigen Fällen aber auch als Ratensparmodelle.
Ein anschauliches Beispiel, an dem sich viele insolvenzrechtliche Fragestellungen bei stillen Beteiligungen aufzeigen lassen, ist der sogenannte Lombard-Skandal. Anleger hatten sich als stille Gesellschafter*innen an den Fondsgesellschaften „1. Oderfelder Beteiligungsgesellschaft GmbH + Co.“ (Lombard Classic und Lombard Classic2) und „LombardClassic 3 GmbH + Co.“ (Lombard Classic 3) beteiligt. Die Beteiligungsgesellschaften sollten das Kapital an das Pfandleihaus „Lombardium Hamburg“ weiterreichen, das es an seine Kunden und Kundinnen ausleihen sollte. Im Dezember 2015 hatte die BaFin dem Pfandleihaus wegen Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz den Geschäftsbetrieb untersagt. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf und es hat sich herausgestellt, dass zahlreiche Pfandgegenstände wertlos, nicht vorhanden oder gefälscht waren. Es besteht der Verdacht, dass mit Anlegergeldern Ansprüche von Anlegern und Anlegerinnen aus älteren Fonds befriedigt wurden. Im Jahre 2017 ist über das Vermögen der „1. Oderfelder Beteiligungsgesellschaft GmbH + Co.“ und der „LombardClassic 3 GmbH + Co.“ das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Insolvenzverwalter hat nachträglich die Jahresabschlüsse korrigieren lassen, so dass diese ab dem Jahr 2013 nur noch Verluste aufweisen.
Definition typisch stille Gesellschaft und atypisch stille Gesellschaft
Die stille Gesellschaft im Sinne der §§ 230 ff. HGB ist eine auf das Innenverhältnis begrenzte Gesellschaft bürgerlichen Rechts, bei der sich eine oder mehrere Personen mit einer Vermögenseinlage an dem Handelsgewerbe, das ein anderer betreibt, beteiligt oder beteiligen, und zwar in der Weise, dass diese Vermögenseinlage in das Vermögen des Inhabers des Handelsgewerbes übergeht (§ 230 Abs. 1 HGB). Ein eigenes Vermögen hat die stille Gesellschaft nicht, sie tritt nach außen nicht in Erscheinung.
Auf die stille Gesellschaft finden in erster Linie die Vereinbarungen des Gesellschaftsvertrags, die Regelungen in §§ 230 bis 236 HGB, hilfsweise die Regelungen des BGB zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Anwendung. Die Gründung der stillen Gesellschaft bedarf keiner besonderen Form. Mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages ist die stille Gesellschaft entstanden. Der gemeinsame Zweck ist die Beteiligung der stillen Gesellschafter*innen am Gewinn und Verlust des Handelsgewerbes des Geschäftsinhabers oder der Geschäftsinhaberin. Stille Gesellschafter*innen nehmen regelmäßig am Gewinn und Verlust der stillen Gesellschaft teil (§ 231 Abs. 1 HGB). Es kann vereinbart werden, dass sie nicht an einem etwaigen Verlust beteiligt werden sollen, dagegen kann eine Beteiligung am Gewinn nicht ausgeschlossen werden (§ 231 Abs. 2 HGB). Ein gewinnunabhängiges Entnahmerecht, wie die OHG-Gesellschafter*innen, haben sie nicht. Bei Verlust sind stille Gesellschafter*innen nicht verpflichtet, Nachschüsse zu leisten, allerdings wird nach Verlustjahren der Gewinn der Folgejahre zur Deckung des Verlustes verwendet (§ 232 Abs. 2 HGB). Die Kontrollrechte entsprechen – nach dem gesetzlichen Regelfall – denen des Kommanditisten und Kommanditistinnen: Gemäß § 233 HGB können sie eine abschriftliche Mitteilung des Jahresabschlusses verlangen und dessen Richtigkeit unter Einsichtnahme der Bücher und Papiere prüfen.
Atypisch stille Gesellschafter*innen einer GmbH & Co. KG stehen mit ihren Ansprüchen wirtschaftlich Gläubigern und Gläubigerinnen eines Gesellschafterdarlehens insolvenzrechtlich gleich, wenn in einer Gesamtbetrachtung seine Rechtsposition nach dem Beteiligungsvertrag der der Kommanditisten und Kommanditistinnen im Innenverhältnis weitgehend angenähert ist.
Konsequenz im Insolvenzfall der Gleichsetzung von atypisch stiller Beteiligung und Gesellschafterdarlehen ist die Anwendbarkeit des § 39 Abs. 1 Nr. 5 Variante 2 InsO auf die atypisch stille Beteiligung: Forderungen des atypisch stillen Gesellschafters werden in der Insolvenz über das Vermögen der Geschäftsinhaberin nur nachrangig berichtigt und fallen damit in aller Regel aus. Sie können gemäß § 174 Abs. 3 InsO nur nach besonderer – vorliegend nicht erfolgter – Aufforderung des Insolvenzgerichts zur Tabelle angemeldet werden. Der Nachrang von Ansprüchen des atypisch stillen Gesellschafters in der Insolvenz einer GmbH & Co. KG als Geschäftsinhaberin kann jedenfalls dann eintreten,
- wenn im Innenverhältnis das Vermögen der Geschäftsinhaberin und die Einlage von stillen Gesellschaftern und Gesellschafterinnen als gemeinschaftliches Vermögen behandelt werden,
- wenn die Gewinnermittlung wie bei Kommanditisten und Kommanditistinnen stattfindet,
- wenn die Mitwirkungsrechte in der Kommanditgesellschaft der Beschlusskompetenz von Kommanditisten und Kommanditistinnen in Grundlagenangelegenheiten zumindest in ihrer schuldrechtlichen Wirkung nahe kommen,
- wenn die Informations- und Kontrollrechte denen von Kommanditisten und Kommanditistinnen nachgebildet sind.
Forderungsanmeldung bei stillen Beteiligungen in Insolvenz
Wenn Anleger*innen einer typisch stillen Gesellschaft im Insolvenzverfahren ihre Forderungen anmelden, dann stehen ihnen erstrangige Insolvenzforderungen zu. Auch bei den stillen Beteiligungen an der an der Fondgesellschaft „1. Oderfelder Beteiligungsgesellschaft GmbH + Co.“ (Lombard Classic und Lombard Classic 2) hat der Insolvenzverwalter festgestellt, dass die Forderungen der Anleger*innen nicht nachrangig sind.
Bei Anlegern einer atypisch stillen Gesellschaft in der Insolvenz sind die Rückzahlungsansprüche allerdings nachrangige Forderungen nach § 39 InsO. Wenn in diesen Fällen das Unternehmen Insolvenz anmelden muss, erhalten Investoren ihr eingezahltes Geld erst nach allen anderen Kreditgebern wieder zurück. Vor ihnen werden alle Gläubiger*innen bedient, deren Forderungen besser geschützt sind. Bei den stillen Beteiligungen an der Fondgesellschaft “Lombard Classic 3 GmbH + Co. (Lombard Classic 3) geht der Insolvenzverwalter von nachrangigen Forderungen aus.
Schenkungsanfechtung nach § 134 InsO
Wenn bei stillen Beteiligungen die Ausschüttungen nicht fest vereinbart sind, sondern vom Jahresergebnis des Unternehmens abhängen, kommt es häufig vor, dass der Insolvenzverwalter die an die Anleger*innen geleisteten Zahlungen anfechten wird. In manchen Fällen sollen sogar die Anleger*innen, deren Beteiligung bereits beendet ist und die Schlusszahlungen erhalten haben, die erhaltenen Gelder zurückzahlen.
Grundlage der Rückforderung der Zahlungen an die Anleger durch den Insolvenzverwalter ist § 134 InsO. Danach sind Zahlungen, die früher als vier Jahre vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung vorgenommen wurden, dann anfechtbar sind, wenn diese unentgeltlich vorgenommen worden sind. Auch die stillen Gesellschafter*innen werden mit den umstrittenen Rechtsfragen der Anfechtung der Auszahlungen von Scheingewinnen in sogenannten „Schneeballsystemen“ konfrontiert. Bislang stellten Gerichte in vielen Fällen bei gewinnabhängigen Ansprüchen auf die objektive Ertragslage ab.
So fordert auch der Insolvenzverwalter im Fall Lombard Zahlungen zurück. Seit Oktober 2019 hat der Insolvenzverwalter die meisten betroffenen Anleger*innen angeschrieben und zur Rückzahlung von „Scheingewinnen“ aufgefordert und Klagen auf Rückzahlung eingereicht. Er hat darauf verwiesen, dass die Fondsgesellschaften tatsächlich nur Verluste erwirtschaftet und ein Schneeballsystem aufgebaut hatten. Nach Ansicht des Insolvenzverwalters waren die Jahresabschlüsse der Jahre 2013-2016 falsch und die Auszahlungen an die stillen Gesellschafter*innen daher unberechtigt erfolgt.
Einige Gerichte haben zugunsten der Betroffenen entschieden. So beruft sich zum Beispiel das Landgericht Stuttgart auf den „Lombard-Classic“ Vertrag, nach dem der zum Zeitpunkt der Ausschüttungen festgestellte Jahresabschluss maßgeblich sei. Dabei spiele es keine Rolle, wenn sich der Jahresabschluss dann später als falsch herausstellt (Urteil vom 07.01.2022) Auch das Landgericht Heilbronn hat entschieden, dass die Zahlungen im Fall Lombard nicht ohne Rechtsgrund erfolgt sind und daher keine unentgeltlichen Leistungen vorliegen. Die Beteiligungsverträge sehen eine gewinnabhängige Beteiligung der Stillen Gesellschafter vor. Da der Vertrag u.a. regelt, dass der festgestellte Jahresabschluss für die Gesellschafter verbindlich ist, gehe dieser der tatsächlichen Ertragslage vor. Nach Ansicht des LG Heilbronn durften die Anleger davon ausgehen, dass ihnen die Zahlungsansprüche aufgrund der ursprünglich festgestellten Jahresabschlüsse zustanden (Urteil vom 20.08.2021, Az. Bö 10 O 365/20). Es ist noch offen, wie die Instanzengerichte entscheiden werden.
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Stille Beteiligungen in der Form von „Sparplänen“ in der Insolvenz
Diese Anleger erbringen ihre Einlage nicht als Einmalzahlung, sondern müssen die Einlage in monatlichen Raten, oft über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten leisten. In der Insolvenz der Beteiligungsgesellschaft fordert der Insolvenzverwalter dann von den Ratenzahlern die gesamten noch ausstehenden Raten ein. In diesen Fällen haben die Stillen Gesellschafter ihre Einlageverpflichtung noch nicht in voller Höhe geleistet.
Wir unterstützen geschädigte Kapitalanleger*innen und prüfen eventuelle Ausstiegsmöglichkeiten im Gesellschaftsvertrag oder eventuelle Schadensersatzansprüche, um eine Rückabwicklung der Beteiligung zu erreichen.
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