Der Kauf von Genossenschaftsanteilen ist für viele Menschen oft auch deshalb attraktiv, weil die Mitglieder und ihre Bedürfnisse im Vordergrund stehen sollen und die Beteiligung keinen spekulativen Charakter hat. Was viele Interessenten nicht wissen: Genossenschaftsanteile sind keine Sparprodukte, sondern unternehmerische Beteiligungen mit entsprechenden Verlustrisiken. Im Insolvenzfall droht sogar der Totalverlust des eingesetzten Kapitals. Gerade bei Wohnungsbaugenossenschaften gibt es immer wieder unseriöse Anbieter.
Was sind Genossenschaftsanteile als Geldanlage?
Genossenschaften sind gemeinschaftliche Unternehmensmodelle. Im Zusammenhang mit einer Genossenschaft spricht man weniger von Investoren oder Investorinnen, sondern von Mitgliedern, die einen Förderzweck verfolgen. Im Gegensatz zu gewinnorientierten Unternehmen muss der Förderauftrag und das Ziel einer Genossenschaft nicht in der Gewinnmaximierung liegen. Die Geschäftstätigkeit kann sich neben wirtschaftlichen auch auf soziale oder kulturelle Belange beziehen. Renditeversprechen stehen in der Regel nicht im Vordergrund des Förderzwecks; umso vorsichtiger sollten Interessenten mit solchen Versprechungen umgehen. Mitglieder investieren ihr Geld in eine unternehmerische Beteiligung mit allen damit verbundenen Risiken. Interessierte müssen zunächst Mitglied werden und ab einem festgelegten Mindestbetrag Anteile zeichnen. Erwirtschaftet die Genossenschaft Gewinne, können die Mitglieder über eine festgelegte Verzinsung und Ausschüttungen davon profitieren. Es gibt viele verschiedene Arten von Genossenschaften, z.B. Einkaufsgenossenschaften, Absatz- und Produktionsgenossenschaften oder Kreditgenossenschaften. Als Geldanlage werden am häufigsten Anteile an Wohnungsbaugenossenschaften erworben. Diese haben in erster Linie das Ziel, für ihre Mitglieder sicheren und preiswerten Wohnraum zu schaffen.
Im Umfeld der Wohnungsbaugenossenschaften gibt es immer wieder Betrugsvorwürfe und betrügerische Genossenschaften. Im Falle der GENO Wohnbaugenossenschaft eG und auch der Eventus eG wurden frühere Vorstände untere anderem wegen Betrugs oder Untreue und Insolvenzverschleppung zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.
Sind Genossenschaftsanteile als Geldanlage geeignet?
Häufiger wird mit der vermeintlichen Sicherheit einer Genossenschaft geworben und die Anleger*innen werden nicht über die Haftungsrisiken aufgeklärt. Genossenschaften schließen als wirtschaftliche Vereine Geschäfte ab und investieren das Vermögen ihrer Mitglieder beispielsweise in Immobilien oder Projekte zur Energieerzeugung und -versorgung. Der gute Ruf der Rechtsform wird aber auch von Unternehmen des grauen Kapitalmarkts missbraucht, die mit staatlicher Förderung und Gewinnbeteiligung um Anlegergelder werben. Zum Beispiel wurde bei der WohnSachWerte eG nicht deutlich darauf hingewiesen, dass für die Inanspruchnahme beworbener Fördergelder eine Beteiligung als Genossenschaftsmitglied erforderlich ist.
Eingetragene Genossenschaften sind juristische Personen. Das bedeutet, dass für Verbindlichkeiten nur das Vermögen der Genossenschaft haftet. Da die Einzahlungen der Mitglieder auf die Geschäftsanteile zum haftenden Eigenkapital gehören, haften die Mitglieder mit ihrer Einlage.
Genossenschaft in der Insolvenz
Neben den insolvenzrechtlichen Vorschriften gibt es spezielle Regelungen im Genossenschaftsgesetz:
- Nachschusspflicht: Aus dieser genossenschaftlichen Besonderheit ergibt sich, dass es für die Genossenschaftsmitglieder richtig teuer werden kann, wenn ein Insolvenzantrag gestellt wird. Dieses oft nicht bekannte Risiko besteht für die Mitglieder darin, dass sie im Fall der Insolvenz der Genossenschaft eventuell einer Nachschusspflicht nachkommen müssen. Laut dem Genossenschaftsgesetz gibt es Nachschusspflichten für Mitglieder, wenn im Falle einer Insolvenz nicht genügend Insolvenzmasse vorhanden ist, um die Gläubiger zu befrieden. Um das zu verhindern, müssen Genossenschaften eine Nachschusspflicht in ihrer Satzung ganz oder teilweise ausschließen. Je nach Satzung ist zu unterscheiden zwischen:
- Genossenschaften mit unbeschränkter Nachschusspflicht: Mitglieder haften mit ihrem Vermögen.
- Genossenschaften mit beschränkter Nachschusspflicht: Mitglieder haften mit der in der Satzung festgelegten Haftsumme.
- Genossenschaften ohne Nachschusspflicht: Die Mitglieder haften nur mit dem Geschäftsanteil.
- Haftung: Genossenschaftsmitglieder haften nicht nur mit dem bislang eingezahlten Kapital, sondern mit der vollen vereinbarten Summe der Genossenschaftsanteile. Wenn Ratenzahlungen für die Anteile festgelegt wurden, müssen Mitglieder diese auch dann weiterhin leisten, wenn die Genossenschaft insolvent ist.
- Forderungsanmeldung durch Genossenschaftsmitglieder: Dies regeln die §§ 38 und 39 der Insolvenzordnung. Nach § 38 InsO gilt als Gläubiger, wer zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen begründeten Vermögensanspruch gegen die Genossenschaft hat. Das Auseinandersetzungsguthaben von Mitgliedern, die vor Insolvenzeröffnung gekündigt haben und wirksam ausgeschieden sind, stellt ebenfalls eine Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO dar. Mitglieder, die bis zur Insolvenzeröffnung nicht wirksam ausgeschieden sind, können dagegen keine Forderungen zur Insolvenztabelle anmelden. Gemäß § 101 GenG wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Genossenschaft aufgelöst. Vor diesem Hintergrund ist eine Kündigung nun nicht mehr möglich und ein Auseinandersetzungsguthaben kann grundsätzlich nicht mehr entstehen.
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Insolvenzrechtliche Fragestellungen am Beispiel GENO Wohnbaugenossenschaft
Die GENO Wohnbaugenossenschaft (vormals Genotec Wohnbaugenossenschaft) hat sich zum Ziel gesetzt, ihre Mitglieder unabhängig vom Kapitalmarkt mit Wohnraum zu versorgen. Dazu entwickelte sie ein „Optionskaufmodell für Immobilien“, eine Art Mietkaufmodell nach dem Bausparprinzip. Seit der Gründung im Jahr 2002 konnten über 10.000 Genossenschaftsmitglieder gewonnen werden. Das GenoKonzept bestand aus einer Ansparphase und einer Wohnphase. Die Genossenschaftsmitglieder zeichneten Genossenschaftsanteile. Die Zeichnungssumme, die vom Mitglied angespart bzw. eingezahlt werden musste, betrug 9 bis 25 % der gewünschten Bausparsumme. Die Mindestzeichnungssumme betrug 10.000 Euro. Die Zeichnungssumme konnte im Rahmen eines WohnSparVertrages ratierlich über bis zu 300 Monate/25 Jahre erbracht werden. Der Vertrieb der Genossenschaftsanteile erfolgte im Wesentlichen über die GENO AG und die Genotrade e.K..
Die GENO Wohnbaugenossenschaft eG hat bereits im Jahr 2018 Insolvenz angemeldet. Zu diesem Zeitpunkt hatten bereits über 50 % der Mitglieder ihre Mitgliedschaft gekündigt. Kaum ein Genossenschaftsmitglied hat tatsächlich eine Wohnung erhalten. Seit Gründung der Genossenschaft wurde lediglich eine Quote von 2,44 % der Wohnungen bzw. Häuser im Rahmen von Mietkaufverträgen den Mitgliedern zur Verfügung gestellt. Überhöhte Betriebskosten, mangelhafter Vertrieb, unzureichend strukturierter Geschäftsbetrieb und Pflichtverletzungen des Vorstandes führten zum Scheitern des GenoKonzeptes. Nach jahrelangen Ermittlungen erhob die Staatsanwaltschaft 2020 Anklage gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der GENO wegen Insolvenzverschleppung, gewerbsmäßigen Betrugs und Untreue. Das Landgericht Stuttgart verhängte eine Freiheitsstrafe von 7 Jahren und 9 Monaten.
Die Insolvenzverwalter der GENO Wohnbaugenossenschaft eG und der Vivono Wohnungsgenossenschaft eG (ehemals GenoBau Zielkauf Wohnungsgenossenschaft) forderten die Mitglieder auf, die Einlagen für die übernommenen Genossenschaftsanteile zu zahlen. Besonders betroffen waren Mitglieder, die bei Eintritt in die Genossenschaft eine Ratenzahlung vereinbart hatten, diese aber noch nicht vollständig erbracht hatten.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt sich für die Anleger der Geno Wohnbaugenossenschaft eG die Frage, welche Möglichkeiten bestehen, einen möglichst großen Teil des investierten Geldes zurückzuerhalten. Auch diejenigen Mitglieder, die Forderungen anmelden können, sollten sich nicht auf den Ausgang des Insolvenzverfahrens beschränken, sondern alle darüber hinausgehenden Ansprüche in Betracht ziehen. Die Insolvenzquote wird bei weitem nicht ausreichen, um finanzielle Verluste auszugleichen. Die Beteiligung als Mitglied einer Genossenschaft ist eine unternehmerische Beteiligung mit zahlreichen Risiken und z.B. als Altersvorsorge oder für sicherheitsorientierte Anleger ungeeignet. Es können Ansprüche gegen Dritte bestehen, die unabhängig vom Insolvenzverfahren geltend gemacht werden müssen. Die meisten unserer Mandanten im Fall der GENO Wohnbaugenossenschaft wurden nicht ausreichend über die zahlreichen spezifischen Risiken und Provisionen dieser Genossenschaft aufgeklärt. Schadensersatzansprüche können sich aus Beratungsfehlern ergeben und gegen die beteiligten Vermittler bzw. deren Haftpflichtversicherung richten. Ziel eines Schadenersatzverfahrens ist es, die Mitglieder so zu stellen, als hätten sie sich nie an der GENO Wohnbaugenossenschaft eG beteiligt. Das bedeutet auch, dass sie im Erfolgsfall von den Ansprüchen des Insolvenzverwalters freigestellt werden. Wir empfehlen, neben der Anmeldung von Abfindungsansprüchen im Insolvenzverfahren auch die Möglichkeit der Rückabwicklung im Wege des Schadensersatzes zu prüfen.
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Unsere Kanzlei berät und vertritt Genossenschaftsmitglieder bundesweit. Als eine der größten auf das Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzleien in Deutschland verfügen wir über große Erfahrung in der außergerichtlichen und gerichtlichen Auseinandersetzung auf diesem Gebiet. Wir prüfen Ihre umfassenden Ansprüche und Möglichkeiten in alle in Betracht kommenden Richtungen.
- Ordentliche und außerordentliche Kündigung der Genossenschaftsbeteiligung: Wir prüfen Ihre Kündigungsmöglichkeiten und Auszahlung der erbrachten des sogenannten Auseinandersetzungsguthabens.
- Möglichkeit des Widerrufs der Beteiligung: Wir prüfen, ob die Beteiligung heute noch widerrufen werden kann.
- Prüfung möglicher Schadensersatzansprüche und potentieller Anspruchsgegner: Vermittler*innen müssen über die bestehenden Risiken wie zum Beispiel das Totalverlustrisiko bei einem Beitritt zu einer Genossenschaft aufklären. Erfahrungsgemäß sind in vielen Fällen die pflichtgemäße Information und Aufklärung nicht ausreichend. Schadensersatzansprüche können auch gegenüber Genossenschaftsverantwortlichen bestehen, vor allen in den Fällen, bei denen sich der Verdacht auf Betrug bestätigt. Das Ziel eines erfolgreichen Schadenersatzverfahrens ist es, Geschädigte so zu stellen, als ob sie die Beteiligung nie gezeichnet hätten. Das bedeutet, dass Mitglieder auch von eventuellen Nachschusspflichten seitens des Insolvenzverwalters im Falle der Insolvenz freigestellt werden könnten.
- Vertretung im Insolvenzverfahren: Im Insolvenzfall könnte Mitglieder mit Ratenzahlungen das Risiko treffen, dass sie die Einzahlung des Restbetrages auf einmal leisten müssten.
Auch wenn sich die Fälle der betroffenen Genossenschaftsmitglieder häufig ähneln, ist immer eine Einzelfallprüfung erforderlich. Wir bieten Betroffenen eine kostenlose Ersteinschätzung ihres individuellen Falles an. In den uns bekannten Fällen profitieren Sie davon, dass wir bereits wichtige Informationen sammeln konnten. Wir vertreten Ihre Interessen sowohl in der Gemeinschaft als auch im Einzelfall gegenüber den Verantwortlichen. Über unseren Online-Fragebogen haben betroffene Mitglieder die Möglichkeit, sich über die Möglichkeiten in ihrem Fall zu informieren.
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