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Bargeldabschaffung – Chancen und Risiken

Veröffentlicht von Georgios Aslanidis am 28. Februar 2016

Bargeld-Scheine-Euro

Eine Welt ohne Bargeld, in der nur noch virtuell bezahlt wird: Diese Vorstellung finden immer mehr Politiker und Ökonomen attraktiv. Sie fordern die Abschaffung von Scheinen und Münzen. Dazu gehören der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman und die beiden Harvard-Ökonomen Larry Summers und Kenneth Rogoff. Erst kürzlich hat sich auch Andrew Haldane, Chefvolkswirt der Bank of England, den Bargeldkritikern angeschlossen. Ihre Motive sind vor allem eine effizientere Geldpolitik und mehr Sicherheit. Das Kabinett Merkel will sich dafür einsetzen, dass europaweit eine Obergrenze für Geschäfte eingeführt wird, die mit Bargeld abgewickelt werden können. Im Gespräch sind 5.000 Euro.

Andere Länder haben Barzahlungen bereits deutlich eingeschränkt. So kann in Italien bis Ende 2015 nur noch bis zu einem Wert von 999,99 Euro bar bezahlt werden. Darüber hinausgehende Beträge konnten nur noch mit Kreditkarte, EC-Karte oder per Überweisung bezahlt werden. Seit Januar 2016 wurde die Obergrenze auf 3.000,- gesenkt. In Frankreich wurde die Obergrenze im Jahr 2015 von 3.000,- auf 1.000,- Euro gesenkt. Spanien, Portugal, Tschechien, Polen, Griechenland – viele europäische Länder haben eine Bargeldobergrenze. Die dänische Zentralbank hat angekündigt, ab 2017 keine neuen Banknoten mehr drucken zu wollen. Zwei Drittel der schwedischen Banken haben ihren Bargeld-Service bereits eingestellt.

Bargeldabschaffung: Die Chancen

Für eine Abschaffung des Bargelds sprechen folgende Aspekte:

  • Der Sicherheitsaspekt: Wie der Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff zu Recht argumentiert, nutzen viele Kriminelle die Anonymität des Bargeldes für illegale Transaktionen. Ob es nun darum geht, Terrorismus, organisierte Kriminalität, Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung wirksam zu bekämpfen oder Korruptionssümpfe auszutrocknen: Wenn jede Transaktion nachvollziehbar wäre, hätten es Kriminelle und Diebe deutlich schwerer.
  • Zudem ist es sehr aufwändig, Geld vor Fälschung und Diebstahl zu schützen. Auch Logistik- und Herstellungskosten könnten eingespart werden.
  • Papiergeld ist ein Auslaufmodell. Im Zeitalter der Digitalisierung sind mobile Bezahlsysteme auf dem Vormarsch, Münzen und Scheine haben längst ausgedient. Durch die Umstellung auf rein digitale Zahlungen könnten mehrere hundert Milliarden Dollar eingespart werden. So argumentierte kürzlich auch John Cryan, Chef der Deutschen Bank. Bargeld sei „als Zahlungsmittel unglaublich ineffizient und teuer“, sagte er und prophezeite: „In zehn Jahren“ werde es „keinen Bedarf mehr für Bargeld geben“.
  • Mehr Spielraum für Banken. Negativzinsen (also Zinsen, die auf Guthaben erhoben werden) müssen kein Schreckensszenario sein. Eine kluge Zinspolitik könnte die Menschen dazu bewegen, ihr Geld auszugeben, anstatt es auf der Bank zu horten. Das wiederum würde den Konsum ankurbeln und die Wirtschaft beleben.

Bargeldabschaffung: Die Risiken 

Gegen die Abschaffung des Bargelds sprechen jedoch folgende Aspekte:

  • Der Sicherheitsaspekt: Wenn es nur noch elektronischen Zahlungsverkehr gibt, muss das Geldsystem absolut sicher gegen Cyberangriffe sein. Können die Zentralbanken das Rennen gegen die Hacker gewinnen? Was passiert bei einem Stromausfall? Und womit bezahlen die Menschen, wenn der Strom ausfällt?
  • Papiergeld ist ein Dauerbrenner. Die kleine Spende für den Klingelbeutel, das Trinkgeld für die Kellnerin, das Taschengeld für den Sohn – Scheine und Münzen sind fest in unserer Gesellschaft verankert. Wer Bargeld abschafft, zerstört auch ein Stück Kulturgut. Wie eine aktuelle Studie zeigt, bevorzugen die Verbraucher in Deutschland nach wie vor Bargeld als Zahlungsmittel. Sie haben damit eine bessere Kontrolle über ihre Ausgaben. Würde der Staat das Bargeld auf einen Schlag abschaffen, würden die Menschen wahrscheinlich auf andere Währungen oder Gutscheinsysteme umsteigen. Wie der Ökonom Friedrich Schneider gegenüber dem Handelsblatt erklärte, wäre ein Chaos von Alternativwährungen und Edelmetallen auf dem Schwarzmarkt die Folge.
  • Zudem werden immer perfektere Profile der Bürger möglich. Diese sind dann so genau, dass der Staat schon im Voraus weiß, was der Bürger als nächstes tun wird, denn Menschen handeln nach Gewohnheit.
  • Zu viel Macht für die Banken. Wenn die Menschen keine Scheine und Münzen mehr besitzen, ist alles Geld bei der Bank. Das führt zu einer Machtfülle, die leicht in Exzesse umschlagen kann. Banken könnten mit Negativzinsen noch mehr Kredite vergeben als bisher. Das erhöht die Geldmenge und führt zu Inflation. Schlimm: Negativzinsen kommen auch einer Enteignung der privaten Haushalte gleich. Noch kann man sich dem zumindest theoretisch entziehen, indem man sein Geld keiner Bank anvertraut und zu Hause hortet. Bei einem vollständig elektronischen Zahlungsverkehr wäre eine schleichende Enteignung durch Negativzinsen nicht mehr aufzuhalten.
  • Staaten und Banken hätten die vollständige Kontrolle und den Zugriff auf Geldvermögen und Geldbewegungen. Negativzinsen könnten dann leichter durchgesetzt werden. Beim nächsten Bankencrash könnte der Zugriff auf das Geldvermögen der Bürger, die ja am Zahlungsverkehr teilnehmen müssen, ungehindert erfolgen.

Das Thema „Bargeldabschaffung“ und „Bargeldreduzierung“ ist für viele Branchen problematisch und stößt derzeit auf erheblichen Widerstand. Nach einer repräsentativen Umfrage des Bankenverbandes ist die Mehrheit der Deutschen gegen eine Einschränkung von Bargeldzahlungen. Eine vollständige Abschaffung des Bargelds wird demnach von 91 Prozent der Bevölkerung abgelehnt. Eine endgültige Entscheidung über die Abschaffung oder Einschränkung des Bargeldverkehrs ist noch nicht gefallen. Es bleibt also abzuwarten, welche Stimmen sich durchsetzen werden.