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BGH: kein Verjährungsbeginn bei Verhandlung über Agio

Veröffentlicht am 06. April 2016

Mit Urteil vom 23.09.2014 (Az.: XI ZR 215/13) hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (BGH) festgestellt, dass durch die Verhandlung des Klägers mit der Bank über die Minderung der Gebühr (des Agios) die Verjährung seiner Schadensersatzansprüche nicht ausgelöst hatte.

Kein Verjährungsbeginn bei Verhandlung über Agio: Sachverhalt der Entscheidung und Vorinstanzen

Der Kläger zeichnete am 02.10.2002 eine Beteiligung in Höhe von 100.000.- EUR zuzüglich eines Aufschlages (Agios) in Höhe von 3.000.- EUR. Mit seiner Klage begehrte der Kläger gegenüber der ihn beratenden Bank die Rückabwicklung seiner Beteiligung an der Fondsgesellschaft. Mit der Vermittlung der Anteile hatte die Fondsgesellschaft die V. AG beauftragt, die hierfür als Provision eine Vergütung von 8,9% des Kommanditkapitals und das Agio von 3% erhielt. Aufgrund einer gesonderten Vertriebsvereinbarung mit der V. AG flossen der beklagten Bank hiervon 8,25% zu. Dies wurde dem Kläger bei dem Beratungsgespräch nicht offenbart. Aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Parteien wurde dem Kläger allerdings die Hälfte des Agios, also 1.500.- EUR, erstattet.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsforderungen stattgegeben und die Widerklage der Beklagten weitgehend abgewiesen. Vor dem Bundesgerichtshof verlangte der Kläger die vollständige Abweisung der Widerklage und die Beklagte begehrte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Das Berufungsgericht hatte zur Begründung seiner Entscheidung unter anderem ausgeführt: Dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch auf Rückabwicklung der Fondsbeteiligung zu, weil diese ihre vertragliche Pflicht zur Aufklärung über die von ihr vereinnahmten Vertriebsprovisionen, bei denen es sich um aufklärungspflichtige Rückvergütungen gehandelt habe, schuldhaft verletzt habe. Die Pflichtverletzung sei auch kausal für die Anlageentscheidung des Klägers geworden. Hierfür spreche die Vermutung aufklärungsgerechten Verhaltens, die von der Beklagten nicht widerlegt worden sei. In seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat habe der Kläger nachvollziehbar und schlüssig bekundet, dass er davon ausgegangen sei, dass das Agio dem Fonds zufließe und die Beklagte hinsichtlich der Beratung einen kostenlosen Service erbringe. Der Umstand, dass der Kläger das Agio „heruntergehandelt“ habe, könne die Vermutung nicht widerlegen, weil selbst ein Verhandeln über das Agio vor dem Hintergrund erfolgt wäre, dass der Kläger die wahre Höhe der erlangten Vorteile weiterhin nicht erkannt hätte und ihm deshalb auch eine Einschätzung der Interessenkollision der Beklagten nicht möglich gewesen wäre. Der Umstand, dass der Anleger eine steueroptimierte Anlage wünsche, reiche zur Widerlegung der Vermutung nicht aus. Der Schadensersatzanspruch des Klägers sei nicht gem. §§ 195, 199 BGB verjährt. Für den Verjährungsbeginn komme es nicht auf das Vorliegen des Prospekts im Jahr 2002 an, weil sich aus diesem eine ausreichende Aufklärung über den Erhalt von Rückvergütungen durch die Beklagte nicht ergebe. Andere Umstände, die die Kenntnis des Klägers von den Rückvergütungen in verjährter Zeit begründen könnten, seien nicht dargetan.

Entscheidung des Bundesgerichtshofes

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes hat das Berufungsgericht zurecht angenommen, dass die Beklagte ihre Pflicht, über erhaltene Rückvergütungen aufzuklären, verletzt hat.

Das Berufungsgericht hat den Kläger selbst nach § 141 ZPO angehört und hat ihm aufgrund des persönlichen Eindrucks, den es bei seiner Anhörung von ihm gewonnen hat, geglaubt, dass er die Beteiligung nicht gezeichnet hätte, wenn er von der Höhe der an die Beklagte geflossenen Vergütung gewusst hätte. Nach Ansicht des Bundesgerichtshofes rügt die Beklagte mit ihrer Revision aber zu Recht, dass das Berufungsgericht den Vortrag der Beklagten, ihr Provisionsinteresse habe keinen Einfluss auf die Anlageentscheidung des Klägers gehabt, in wesentlichen Teilen unbeachtet gelassen und angebotene Beweise nicht erhoben hat.

Das Berufungsgericht  hat nach Ansicht des Bundesgerichtshofes eine Verjährung des – unterstellten – Schadensersatzanspruchs des Klägers wegen des Verschweigens von Rückvergütungen rechtsfehlerfrei verneint.
Denn das Berufungsgericht habe zutreffend angenommen, dass der Fondsprospekt keine Informationen über den Erhalt von Rückvergütungen durch die Beklagte enthalte. Soweit die Revision die Kenntnis des Klägers von der Rückvergütung darauf stützen wollte, dass dieser mit dem Bankberater der Beklagten über eine Reduktion des Agios verhandelt hat, bleibe dies ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hatte festgestellt, dass der Kläger davonausgegangen sei, dass das Agio dem Fonds zufließe und die Beklagte hinsichtlich der Beratung einen kostenlosen Service erbringe. Dagegen sei auch revisionsrechtlich nichts zu erinnern. Andere erhebliche Umstände, die eine Kenntnis des Klägers von den Rückvergütungen in verjährter Zeit begründen könnten, habe die Beklagte nicht vorgetragen und würden von der Revision nicht geltend gemacht.

Der Bundesgerichthof entschied, dass das angefochtene Urteil mit Ausnahme der rechtskräftigen Abweisung des weitergehenden Zinsanspruchs des Klägers, die aufrechterhalten bleibt, aufzuheben sei. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif sei, wurde sie insoweit zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht wird den Kläger als Partei zu der Behauptung der Beklagten, dass der Anteil, den sie aus den im Prospekt ausgewiesenen Vertriebsprovisionen erhalten hat, für die Anlageentscheidung ohne Bedeutung war, zu vernehmen haben. Ggf. wird es die Behauptung der Beklagten zu würdigen haben, dem Kläger sei es allein um die bei der Beteiligung zu erzielende Steuerersparnis gegangen, die alternativ nur mit Produkten zu erzielen gewesen sei, bei denen vergleichbare Rückvergütungen gezahlt worden seien.

Fazit: Dieses Urteil bestätigt, dass sich aus dem Verhandeln über das Agio ein Beginn der Verjährung nicht zwingend ergibt. Würdigt das Gericht die Aussage des Klägers wie hier dahingehend, dass der Anleger davon ausgegangen ist, dass das Agio dem Fonds zufließt und die Bank hinsichtlich der Beratung einen kostenlosen Service erbringt, ist dies aus Sicht des BGH unbedenklich. Auch bei einem Agio-Rabatt ergibt sich also nicht ohne weiteres ein Verjährungsbeginn.