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OLG-Urteil Kündigung Bausparvertrag: Sparerin wehrt sich erfolgreich
Veröffentlicht von Andreas Frank am 10. Mai 2016
Der für Bankrecht zuständige 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart hat am 04.05.2016 erneut der Berufung einer Bausparerin stattgegeben, die sich gegen die Kündigung ihres Bausparvertrags durch die Bausparkasse Wüstenrot gewehrt hatte. (Az.: 9 U 230 / 15).
OLG-Urteil Kündigung Bausparvertrag: Sachverhalt und Entscheidung
Im vorliegenden Verfahren hatte die Klägerin im Jahr 1999 zwei Bausparverträge über DM 160.000,00 bzw. DM 40.000,00 abgeschlossen. Die Verträge wurden 2001 zuteilungsreif. Die Beschwerdeführerin nahm das Bauspardarlehen jedoch nicht in Anspruch. Sie ließ den Bausparvertrag zu einem Zinssatz von 2,5 % zuzüglich Bonuszinsen weiterlaufen. Im Januar 2015 kündigte die Bausparkasse die Verträge, die zu etwa 75 % angespart waren. Nach den zugrunde liegenden Allgemeinen Bausparbedingungen (§ 5 I ABB) war die Klägerin im vorliegenden Fall nur verpflichtet, bis zum Erreichen eines Mindestsparguthabens von 50 % der Bausparsumme zu sparen.
Kündigung der Bausparkasse unberechtigt
Der Senat hält die Kündigung der Bausparkasse auch in diesem Fall für unberechtigt. Das Oberlandesgericht Stuttgart bleibt mit seiner Entscheidung bei seiner Linie, dass sich die Bausparkasse nicht auf die Vorschrift des § 489 I Nr. 2 BGB berufen kann, wonach ein Darlehensnehmer das Darlehen zehn Jahre nach dessen vollständigem Empfang kündigen kann. Nach den Allgemeinen Bausparbedingungen (§ 5 I ABB) ist der Bausparer verpflichtet, bis zur erstmaligen Auszahlung der Bausparsumme Regelsparbeiträge zu zahlen. Bis zum Ende dieser Verpflichtung habe die Bausparkasse das als Darlehen anzusehende Guthaben nicht vollständig erhalten. Auf den Zeitpunkt der Zuteilung komme es nach den Vertragsbedingungen nicht an.
Die Bausparkasse könne sich auch nicht auf eine analoge Anwendung des gesetzlichen Kündigungsrechts nach § 489 I Nr. 2 BGB berufen, wenn die überlange Vertragsdauer auf einer vertragswidrigen Einstellung der Sparraten durch die Klägerin beruhe. Eine Schutzbedürftigkeit der Bausparkasse liege nach Ansicht des OLG Stuttgart nicht vor, wenn die Bausparkasse das faktische Ruhen des Bausparvertrags zuvor stillschweigend geduldet und von einem vertraglichen Kündigungsrecht keinen Gebrauch gemacht habe.
Zudem könne die Bausparkasse als gewerbliches Kreditinstitut in ihren Vertragsbedingungen Zinssätze und Höchstlaufzeiten selbst festlegen und damit unerwünscht lange Laufzeiten ausschließen. Das freiwillig übernommene Zinsrisiko könne nicht unter Berufung auf die gesetzlichen Kündigungsvorschriften auf den Bausparer abgewälzt werden.
Fazit zum Urteil
Nach seiner Entscheidung vom 30.03.2016 (Az. 9 U 171/15) hat das OLG Stuttgart zum zweiten Mal die Position gekündigter Bausparer gestärkt. Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen, weil die Frage der Anwendung des § 489 I Nr. 2 BGB auf zuteilungsreife Bausparverträge grundsätzliche Bedeutung hat und andere Oberlandesgerichte eine andere Auffassung vertreten. Es bleibt daher abzuwarten, ob der Bundesgerichtshof über diese Rechtsfrage entscheiden wird.
Was können betroffene Bausparer jetzt tun?
Betroffene Bausparer sollten im Falle einer Kündigung ihres Bausparvertrages durch die Bausparkasse einen auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierten Rechtsanwalt aufsuchen. Über unser Kontaktformular haben betroffene Bausparer die Möglichkeit, mit uns in Verbindung zu treten und sich umfassend über die in ihrem Fall bestehenden Möglichkeiten informieren zu lassen.