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Treuhänderstreit um Prämienanpassungen: BGH entscheidet am 19.12.2018 – Privatversicherte könnten unwirksame Beitragserhöhungen zurückfordern
Veröffentlicht von Annekatrin Schlipf am 17. Dezember 2018
Mehrere Gerichte haben Verbrauchern Recht gegeben, die gegen Beitragserhöhungen ihrer privaten Krankenversicherung geklagt hatten. Die Prämienanpassungen der Versicherungsunternehmen müssen von einem unabhängigen Treuhänder geprüft und genehmigt werden. Aufgrund wirtschaftlicher Abhängigkeit vom jeweiligen Versicherer seien die Treuhänder aber nicht unabhängig und die Zustimmung somit unwirksam, urteilten viele Gerichte. Jetzt entscheidet der Bundesgerichtshof im sogenannten Treuhänderstreit. Privatversicherte können auf Tausende Euro Rückforderungen hoffen.
Um den hohen Standard in der Versorgungsleistung gewährleisten zu können, erhöhen private Krankenkassen regelmäßig die Beträge. Doch wer bestimmt eigentlich, ob und in welchem Maß private Krankenversicherungen ihre Beiträge erhöhen dürfen? Bis zum Jahr 1994 mussten sich die Versicherer Beitragserhöhungen durch die Aufsichtsbehörde genehmigen lassen. Seither ist nur noch die Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders erforderlich. Dies regelt § 203 des Gesetzes über den Versicherungsvertrag (VVG).
Treuhänderstreit: Die Frage nach der Unabhängigkeit der Treuhänder
Die Unabhängigkeit dieser Treuhänder ist in jüngster Zeit immer wieder in Zweifel gezogen worden: Zum einen vertritt der Treuhänder die Interessen der Gesamtheit der Versicherungsnehmer, zum anderen aber wird er für seine Tätigkeit in aller Regel vom Versicherungsunternehmen bezahlt.
Für die Tätigkeit eines Treuhänders sind Kanzleien und Unternehmen nicht zugelassen. Es dürfen nur natürliche Personen als Treuhänder tätig werden. Aufgrund der hohen fachlichen Anforderungen kommen nur sehr wenige Personen für diese Aufgabe in Frage. Eine Anfrage ergab, dass bundesweit nur sechzehn Personen als Treuhänder tätig sind. Demgegenüber stehen etwa fünfzig Unternehmen und Organisationen, die im Verband der privaten Krankenversicherung organisiert sind.
Problematisch wird es, wenn ein Treuhänder über viele Jahre hinweg immer wieder von demselben Versicherer als Treuhänder angeworben und bezahlt wird. Aufgrund der wenigen Anbieter, die für eine Prüfung in Frage kommen, und der komplizierten Thematik scheint die wiederholte Beauftragung aber gängige Praxis zu sein. Zweifel an der Unabhängigkeit bestehen auch, wenn der Treuhänder keine anderen Einkünfte erzielt und letztlich wirtschaftlich davon abhängig ist, weiterhin von Versicherungsunternehmen zum Treuhänder bestellt zu werden.
Die Unabhängigkeit steht auch dann in Frage, wenn der Treuhänder neben der Prüfung der Beitragserhöhungen noch weitere – zumeist hoch dotierte – Aufträge desselben Versicherungsunternehmens erhalten hat. Das Landgericht Berlin hat in einer Entscheidung vom Januar 2018 die Unabhängigkeit des Treuhänders abgelehnt, weil dieser im Vorfeld bei der Erstellung eines Versicherungstarifs eingebunden war und die hierbei vorgeschriebene Prüfung der Erstkalkulation vorgenommen hat. Denn Versicherungsbeiträge zur Krankenversicherung dürfen nur dann erhöht werden, wenn sich die Berechnungsgrundlagen verändert haben, nicht jedoch um eine anfängliche Fehlkalkulation des Versicherungsunternehmens bei der Aufstellung eines Versicherungstarifs auszugleichen. War der Treuhänder jedoch bereits an der erstmaligen Tariferstellung beteiligt, könnte er in einen Interessenkonflikt geraten, (s)eine frühere Fehlkalkulation durch eine Beitragserhöhung auszugleichen.
Eine Erhöhung der Versicherungsbeiträge muss, um wirksam zu sein, von einem unabhängigen Treuhänder geprüft und bestätigt werden. Ebenso müssen die Erhöhungen plausibel und ausführlich begründet sein.
In der Vergangenheit haben viele private Versicherungen diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Die Treuhänder warenfaktisch nicht unabhängig bzw. die Prämienanpassungen nur unzureichend begründet. Damit sind die Erhöhungen unzulässig und der Versicherte ist nicht verpflichtet, diese unzulässigen Erhöhungen zu bezahlen.
Gegen folgende Versicherer haben die Gerichte bislang entschieden:
- AXA private Krankenversicherung
- DKV private Krankenversicherung
Medienberichten zufolge hat allein die AXA Versicherung zwanzig Niederlagen vor Gericht hinnehmen müssen. Grundsätzlich haben alle privaten Krankenversicherungen ihre Beiträge immer wieder erhöht und die Erhöhung ebenfalls von einem Treuhänder prüfen und für wirksam erklären lassen wie AXA und DKV private Krankenversicherung.
Hohe Rückforderungen für privat Versicherte möglich
Immer mehr Versicherte fordern jetzt ihre Beitragserhöhungen zurück. Die meisten Gerichte haben bislang zugunsten der klagenden Versicherungsnehmer entschieden. Zum Treuhänderstreit steht am 19.12.2018 ein Verhandlungstermin am Bundesgerichtshof an. Sollte der BGH zugunsten der Verbraucher entscheiden, kann der privat Krankenversicherte Beitragserhöhungen für die Zukunft zurückweisen und für die Vergangenheit – einschließlich Verzugszinsen – zurückfordern. Die Rückforderung kann maximal für bis zu zehn Jahre angesetzt werden. Ansprüche aus dem Zeitraum vor mehr als zehn Jahren sind verjährt. Die Höhe der Rückforderung über einen solchen Zeitraum beträgt schnell 10.000,- EUR und mehr.
Wichtig für Versicherungsnehmer ist, dass Sie keine Nachteile aus einem Vorgehen gegen ihre private Krankenversicherung fürchten müssen. Insbesondere besteht kein Kündigungsrecht des Versicherers – Versicherte sollten aus diesem Grund die Beträge kontinuierlich weiter bezahlen. Gerade in der Kommunikation mit dem Versicherer können Sie sogar Vorteile haben, wenn bekannt wird, dass Sie mit einer spezialisierten Kanzlei vertreten sind.
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