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Verbraucherfreundliches Urteil des OLG Stuttgart wegen hochriskanten partiarischen Darlehen

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat einen freien Anlage- und Finanzberater zum Schadensersatz wegen einer Kapitalanlage verurteilt. In einem von der Kanzlei Aslanidis, Kress & Häcker-Hollmann erstrittenen Urteil vom 2. Mai 2018 hat das OLG Stuttgart den freien Anlage- und Finanzberater zum Schadensersatz und zur Rückabwicklung der von ihm empfohlenen hochriskanten partiarischen Darlehen verurteilt.
Der Sachverhalt des Urteils des OLG Stuttgart
Ein selbständiger Finanz- und Anlageberater hatte den Klägern, einem Ehepaar, ein sogenanntes „gewinnabhängiges partiarisches Darlehen“ als sichere und risikolose Kapitalanlage empfohlen. Das Ehepaar war Opfer eines offenbar betrügerischen Schneeballsystems rund um Pfandleihhäuser geworden und hatte rund 26.000 € verloren, die die Kläger für ihre Altersvorsorge und die ihrer Kinder sicher anlegen wollten.
Der Anlageberater hatte den Klägern Kapitalanlageprodukte der miteinander verbundenen Gesellschaften Mehrwert Konzeptmanagement GmbH, Fair Pfand Deutschland GmbH, Fair Pfand Online GmbH, Fair Pfand Beteiligungen UG und Valorum Vermögensverwaltung GmbH empfohlen. Dabei handelte es sich um hochriskante Kapitalanlagen. Insgesamt wurden rund 790 solcher Darlehensverträge zwischen überwiegend Kleinanlegern und der Mehrwert Konzeptmanagement GmbH mit einem Gesamtvolumen von bis zu 9,35 Millionen Euro abgeschlossen. Insbesondere in den Jahren 2011 und 2012 sammelte die Mehrwert Konzeptmanagement GmbH über Finanzvermittler erhebliche Beträge von Darlehensgebern ein. Dabei handelte es sich nicht um „klassische“ Darlehen. In den meisten Fällen wurden, wie auch im vorliegenden Fall, sogenannte partiarische Darlehen mit qualifiziertem Rangrücktritt gezeichnet. Dabei sind partiarische Darlehen formal weniger kompliziert als z.B. Fondsanteile, da sie unter einfacheren Bedingungen vereinbart werden, auch über Dritte vermittelt werden können und zudem keine Prospektpflicht besteht. Durch die Vereinbarung eines Rangrücktritts für seine Forderung verzichtet der Gläubiger zudem vorläufig auf die Befriedigung seiner Forderung, um andere (potenzielle) Gläubiger besser zu stellen oder eine Überschuldung des Unternehmens im Sinne der Insolvenzordnung zu vermeiden.
So ging es auch in dem Fall vor dem OLG Stuttgart im Wesentlichen darum, dass der Berater den Klägern an einem Abend nach einem langen Arbeitstag ca. 3 Stunden lang die streitgegenständlichen Anlagen (Anteile an Pfandleihhäusern) als bombensicher („Das Pfandleihgewerbe gibt es schon seit 1000 Jahren, was soll da schon passieren“) dargestellt und dabei eine eigens dafür verwendete Broschüre verwendet hatte, die ausschließlich die positiven Aspekte hervorgehoben hatte.
Der Beklagte hatte selbst zu Protokoll des Landgerichts eingeräumt, dass nach einer so langen Gesprächsdauer ein Durchgehen der Risikohinweise nicht mehr möglich sei und er den Klägern gesagt habe, dass es sich bei den Risikohinweisen um eine reine Formalie handele.
Im Vertrauen auf diese verharmlosenden Äußerungen des Beklagten hätten die Kläger die Risikohinweise nicht im Einzelnen gelesen, sondern nur die nichtssagenden Überschriften „Chancen- und Risikohinweis“ / „Rangrücktrittserklärung“.
Urteil wegen partiarischen Darlehen: OLG Stuttgart entscheidet für Verbraucher
Das OLG Stuttgart hat der Klage stattgegeben und den freien Finanzvertrieb zur Zahlung von Schadensersatz Zug um Zug gegen Rückübertragung der Kapitalanlagen an den freien Finanzvertrieb verurteilt.
Unter Verweis auf das Urteil des BGH vom 17. März 2016 – III ZR 47/15, wonach eine individuelle Abwägung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen ist und nicht ohne weiteres (wie vom Landgericht) von grober Fahrlässigkeit ausgegangen werden kann, hat der Senat die bereits zuvor geäußerte Auffassung bestätigt, dass die Pflichtverletzungen feststehen und keine Verjährung eingetreten ist.
Menschlich nachvollziehbar erklärten auch die Richter des Senats, dass sie schon einmal etwas unterschrieben hätten, ohne es zu lesen. Den geschädigten Anlegern kann kein Vorwurf gemacht werden, wenn stundenlang das Insolvenzrisiko als negative Tatsache („kann nie passieren“) dargestellt wird und dann „kurz vor Toresschluss“ die Risikohinweise untergeschoben werden. Dementsprechend liegt auch kein Mitverschulden des Anlegers vor, wenn er Risikohinweise in Beratungsprotokollen nicht gelesen hat, die vom Berater als „reine Formalie“ heruntergespielt bzw. verharmlost werden und zudem optisch so unübersichtlich gestaltet sind (Kleingedrucktes, nichtssagende Überschriften etc.), dass sie von einem normalen „Durchschnittsbürger“ gar nicht wahrgenommen werden können.
Das Oberlandesgericht Stuttgart führt weiter aus, dass eine solche Anlage (ein Schneeballsystem) bereits per se so gefährlich sei, dass ein faktisches Empfehlungsverbot gegenüber Anlegern bestehe, die zwar eine Rendite anstrebten, aber ausschließlich eine sichere Anlage wünschten.
Die Revision hat das Oberlandesgericht nicht zugelassen.
Fazit des Urteils des OLG Stuttgart
Zusammenfassend gilt für den Anlageberater nun umso mehr: Was man seinem Kunden sagt, das gilt! Juristen nennen das den „Vorrang des gesprochenen Wortes“; für die Gerichte gilt, dass jeder Einzelfall fair, objektiv und umfassend zu prüfen und zu würdigen ist. Und zugunsten eines Anlegers wird höchstrichterlich vermutet, dass er bei ordnungsgemäßer Beratung eine solche Anlage niemals erworben hätte (sog. „Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens“).
Nach dem obsiegenden Urteil vor dem OLG Frankfurt am Main vom 28.07.2017, Az. 10 U 28/16 im Jahr 2017 setzt sich die verbraucherfreundliche Tendenz der Oberlandesgerichte fort, dass Beratungsprotokolle nicht mehr das Maß aller Dinge sind, sondern auch deren Hintergründe (z.B. Verbrauchertäuschung, Irreführung, Verharmlosung etc.) zu beleuchten und zu hinterfragen sind.
Das Urteil stärkt erneut die Position wirtschaftlich geschädigter Kapitalanleger, die ihre Beteiligung über einen freien Vertrieb erworben haben. Die Entscheidung des OLG Stuttgart reiht sich ein in eine Vielzahl von Urteilen im Zusammenhang mit Kapitalanlagen, die die Kanzlei Aslanidis, Kress & Häcker-Hollmann für ihre Mandanten bis hin zum Bundesgerichtshof erstritten hat.
Was können betroffene Kapitalanleger jetzt tun?
Geschädigten Anlegern empfehlen wir, ihre Ansprüche von einem auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierten Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Unser Angebot an Sie: Nutzen Sie unseren Online-Fragebogen für eine schnelle und kostenlose Erstberatung.
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