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Warum Verbraucher auf dem grauen Kapitalmarkt investieren
Veröffentlicht von Annekatrin Schlipf am 17. Oktober 2018

Böses Erwachen für die Anleger der P & R Direktinvest. In einem der größten Anlageskandale der deutschen Geschichte bangen mehr als 50.000 Menschen um ihr investiertes Geld. Die Staatsanwaltschaft München ermittelt gegen mehrere Manager des Konzerns. Der Gründer der P&R Direktinvest sitzt in Untersuchungshaft, ihm wird Anlegerbetrug in Milliardenhöhe vorgeworfen. Die Insolvenzen der P&R-Gesellschaften gehören zu den prominentesten Beispielen für schwarze Schafe auf dem Grauen Kapitalmarkt. Erst im Juli dieses Jahres hatte das Landgericht Dresden den Gründer des insolventen Finanzdienstleisters Infinius AG sowie vier ehemalige Manager wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs und Kapitalanlagebetrugs, einen weiteren Angeklagten wegen Beihilfe schuldig gesprochen. Von der Insolvenz der Infinius AG sind mehr als 22.000 Anlegerinnen und Anleger betroffen, die über 150 Millionen Euro verloren haben. Im Jahr 2014 sorgte die Insolvenz des Windkraftunternehmens Prokon für Schlagzeilen – 75.000 Anleger verloren mehr als 40 Prozent ihres investierten Kapitals.
Weißer, schwarzer und grauer Kapitalmarkt
Zur Abgrenzung hinsichtlich der Ausgestaltung und Regulierung des vielfältigen Kapitalmarktes werden drei Marktsegmente nach den Farben weiß, schwarz und grau unterschieden.
- Der weiße Kapitalmarkt umfasst diejenigen Anbieter (z.B. Finanz- oder Zahlungsdienstleister, Kapitalverwaltungsgesellschaften und Versicherungsunternehmen), die für ihre Tätigkeit über eine Erlaubnis nach den entsprechenden Aufsichtsgesetzen verfügen und einer laufenden Aufsicht durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) unterliegen. Beispiele für Produkte des weißen Kapitalmarkts sind offene Investmentfonds oder börsennotierte Aktien.
- Im Gegensatz dazu steht der illegale Schwarze Kapitalmarkt: Die Anbieter führen erlaubnispflichtige Geschäfte ohne die erforderliche Erlaubnis durch oder betreiben verbotene Geschäfte.
- Der Graue Kapitalmarkt hingegen ist die Summe der Anbieter und Produkte, die keine Erlaubnis der BaFin benötigen, nicht ihrer Aufsicht unterliegen und nur wenige gesetzliche Anforderungen erfüllen müssen. Der Graue Kapitalmarkt ist nur schwach reguliert, daher ist für Anlegerinnen und Anleger besondere Vorsicht geboten. Aufgrund der hohen Risiken und der Tatsache, dass die Gelder der Anleger häufig nicht abgesichert sind, kann es daher leicht zu einem teilweisen oder vollständigen Verlust des investierten Kapitals kommen.
Angebote des Grauen Kapitalmarktes kann man nach Angaben der BaFin oftmals an folgenden Kriterien erkennen:
- Anbieter locken mit hohen Zinsen oder Renditen über dem allgemeinen Marktniveau,
- Anbieter werben mit der vermeintlichen Sicherheit der Kapitalanlage,
- Anbieter geben vor, in gleicher Weise wie institutionelle Anleger zweistellige Renditen erzielen zu können,
- Anlageentscheidungen sollen durch positiv besetzte oder ethisch korrekte Investitionsobjekte beeinflusst werden
- Anleger sollen ihre bisherigen Anlagen auflösen und aus vermeintlichen Sicherheits- oder Renditegründen neu investieren.
Auf dem Grauen Kapitalmarkt gibt es neben seriösen auch zweifelhafte Angebote zur Kapitalanlage, die einerseits hohe Renditen in Aussicht stellen, die damit einhergehenden Risiken jedoch verschleiern, verharmlosen oder für Kunden undurchsichtig darstellen.
Beispiele für Produkte des grauen Kapitalmarktes sind:
- geschlossene Fonds (seit 2013: „Alternative Investmentfonds“)
- Unternehmensbeteiligungen
- Direktinvestments, z.B. in Holz, Edelmetalle, Minen
- Gold- und Edelmetallsparpläne
- Crowdfunding
- Genussrechte
- Nachrangdarlehen
Obwohl Meldungen wie diese ein deutliches Warnsignal sind, investieren Anleger in Deutschland Milliardenbeträge in den Grauen Kapitalmarkt. Vielen Anlegern scheint gar nicht bewusst zu sein, dass sie auf dem Grauen Kapitalmarkt investieren – oder worum es sich bei der getätigten Anlage genau handelt. Diese These bestätigt eine qualitative Studie der Verbraucherzentrale Hessen. Unter dem Titel „Anlageentscheidungen am Grauen Kapitalmarkt“ veröffentlichten die Marktwächter Finanzen im September 2018 mögliche Motive von Verbrauchern für Anlageentscheidungen, die mit erheblichen Verlustrisiken bis hin zum Totalverlustrisiko verbunden sind.
Die Beziehung zum Vermittler „Ich habe dem vertraut“
Ein wichtiger Faktor ist daher die Beziehung zwischen Verbraucher und Anlagevermittler. Bereits in einer früheren Studie hatten die Verbraucherschützer herausgefunden, dass über 70 Prozent der untersuchten Fälle auf einer engen Beziehung zwischen Vermittler und Verbraucher beruhten.
Fast alle Befragten schätzten sich in der aktuellen Studie nicht als Finanzexperten ein und stuften ihre Risikobereitschaft als mittel bis gering ein. Nur einer der Befragten gab an, bei der Geldanlage gelegentlich Risiken einzugehen. Umso mehr wundert sich der neutrale Beobachter, wie der Gegensatz zwischen Theorie und Praxis, Beratung und Zeichnung zustande kommt – schließlich haben alle Befragten mit einem geschlossenen Fonds, einer Direktanlage, einer Unternehmensbeteiligung oder anderen Produkten des Grauen Kapitalmarkts hohe Verluste bis hin zum Totalverlust in Kauf genommen. Aussagen innerhalb der Befragung lauten wie folgt „Ich habe dem (Anlagevermittler) auch aufgrund der Vorschusslorbeeren meines Bekannten vertraut.“ „Ich habe einfach gedacht, er ist der Anlageberater. Der wird das schon wissen. (…) Also sonst bräuchte ich ja nicht zu einem Anlageberater gehen.“ „Es wurde gesagt, dass der (Anlagevermittler) unabhängig ist. Aber er hat kein Geld genommen, das hätte mich stutzig machen müssen.“
Alles Aussagen, die die Fachanwälte unserer Kanzlei aus dem täglichen Kontakt mit ihren Mandanten gut kennen. „Viele Anleger sehen keine Möglichkeit, sich das theoretisch notwendige Wissen über Anlageprodukte anzueignen, da bleibt nur das Vertrauen in einen Fachmann“, sagt Christopher Kress, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Aslanidis, Kress & Häcker-Hollmann.
Lebensumstände und Motive – Wann Verbraucher besonders entscheidungsfreudig sind
Die Ergebnisse der Studie zeigen auch, dass sich die Lebensumstände der Befragten unmittelbar vor einer Investitionsentscheidung oft gravierend verändert haben. Dabei kann es sich um negative Ereignisse wie den Tod des Ehepartners oder eine Scheidung handeln, aber auch um positive Ereignisse wie eine Erbschaft oder eine neue Arbeitsstelle. Allen Ereignissen ist gemeinsam, dass sie auch die finanzielle Situation der Verbraucher verändert haben. In einer solchen Situation scheint es leichter zu fallen, weitere Veränderungen zu akzeptieren – und die Bereitschaft, langfristige finanzielle Entscheidungen zu treffen, kann größer sein als sonst.
Bei langfristigen Anlagemotiven wie der Altersvorsorge oder der allgemeinen finanziellen Vorsorge fühlen sich die Betroffenen laut Studie allein gelassen und treffen dann falsche Entscheidungen, weil sie nicht wissen, was sinnvoll ist. Zitat aus der Studie: „Ich glaube, es gibt eine große Diskrepanz zwischen der politischen Entscheidung, ich sage es jetzt ein bisschen platt: Die Rente wird gekürzt. Jetzt muss man sich selbst darum kümmern. Aber wie man das macht, da ist jeder auf sich allein gestellt, da wird man auf den freien Markt geworfen“.
„Aus Angst vor Altersarmut in ein Produkt des grauen Kapitalmarktes zu investieren, um für das Alter vorzusorgen, das passt überhaupt nicht zusammen.“ – Das ist die Botschaft, die unsere Kanzlei seit Jahren in der Kommunikation mit Anlegern vermittelt.
Falsche Anwendung von Entscheidungsregeln auf dem grauen Kapitalmarkt „Immobilien sind eine sichere Anlage“
Nicht zuletzt aufgrund des fehlenden Expertenwissens suchen Verbraucher nach einfach anwendbaren Entscheidungsregeln. Die Marktwächter Finanzen sprechen bei Anlageentscheidungen von Daumenregeln. Verbraucher suchen nach eigenen Erfahrungswerten oder übernehmen Meinungen aus den Medien, dem eigenen Umfeld, der Politik oder der Wissenschaft. Ein gutes Beispiel für eine solche Daumenregel ist der Bereich Immobilien. In der Regel gelten Immobilien bei Verbrauchern als sichere Anlage. Handelt es sich um eine Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds, wird das Attribut der Immobilie auch dem Anlageprodukt zugeschrieben. Dabei werden jedoch wichtige Aspekte von Produkten des Grauen Kapitalmarktes, wie z.B. das Risiko der Anlage, völlig vernachlässigt oder falsch angewandt.
Ebenso bitter wie der Totalverlust ist für den betroffenen Anleger die Erkenntnis, dass er selbst die Entscheidung getroffen hat und damit auch die Verantwortung trägt. Sofern man selbst über ausreichende Kenntnisse verfügt, hätte man es besser wissen können: Mit der Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds geht man beispielsweise ein hohes Risiko ein. Diese Anlageform ist nicht für jeden Verbraucher geeignet und als Altersvorsorge ungeeignet. Ein gesundes Misstrauen, Information und Aufklärung sind die Instrumente, die Verbraucherinnen und Verbraucher am besten vor Verlusten schützen. So hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in einem ausführlichen Bericht dargestellt, wie man unseriöse Anbieter erkennt. Weitere Anlaufstellen mit gutem Informationsmaterial sind die Verbraucherzentralen und die Warnliste Geldanlage der Stiftung Warentest.
Weitere Informationen und kostenfreie Erstberatung
Informationen zu den Produkten finden Sie auch auf der Website unsere Kanzlei. Anlegern, die sich mit einer komplexen Anlageentscheidung konfrontiert sehen, empfehlen wir eine Prüfung der juristischen Aspekte durch eine auf das Kapitalanlagerecht spezialisierte Fachkanzlei. Für eine unverbindliche Anfrage stehen wir Ihnen per E-Mail über unser Kontaktformular oder am Telefon unter 0711 9308110 zur Verfügung.
Sie haben auch die Möglichkeit, Ihre Erfolgsaussichten in Ihren konkreten Fall unverbindlich prüfen zu lassen. Nutzen Sie den Fragebogen für eine kostenlose Ersteinschätzung durch unserer spezialisierten Anwälte.