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Aufklärungspflicht des Verkäufers bei Leerstand der Immobilie

Veröffentlicht von Andreas Frank am 25. November 2008

Hochhaus-Immobilie

Der fünfte Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 10.10.2008 (Az.: V ZR 175/07) entschieden, dass der Verkäufer von Wohnungs- oder Teileigentum auch bei Übernahme einer Mietgarantie verpflichtet ist, den Käufer darüber aufzuklären, dass das zur Vermögensbildung bestimmte Kaufobjekt leer steht und nicht vermietet ist.

Aufklärungspflicht bei Leerstand der Immobilie: Sachverhalt zum Urteil

Der Kläger kaufte im November 1994 von der Beklagten eine Eigentumswohnung und eine Garage zum Preis von 176.000 DM. Vor Abschluss des Kaufvertrages legten die Vermittler eine Berechnung vor, nach der die Miete für die Wohnung 556,- DM und für die Garage 420,- DM betragen sollte und die Beklagte die Miete für drei Jahre garantierte. Die Garage stand jedoch bei Abschluss des Kaufvertrages tatsächlich leer. Eine Vermietung der Garage für 420,- DM war nicht mehr möglich. Nach Ablauf der Mietgarantie konnte der Kläger das zur Finanzierung des Geschäfts aufgenommene Darlehen nicht mehr bedienen. Wohnung und Garage wurden zwangsversteigert.

Der Kläger hat von der Beklagten verlangt, ihn von seinen Verbindlichkeiten gegenüber der finanzierenden Bank und der Wohnungseigentümergemeinschaft freizustellen, ihm Schadensersatz in Höhe von 25.097,47 EUR nebst Zinsen zu zahlen und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm den Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Abschluss des Kaufvertrages künftig entsteht. Das Landgericht gab der Klage statt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Auf die Revision des Klägers hat der Bundesgerichtshof das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe des BGH-Urteils

In seinen Entscheidungsgründen führt der BGH aus, dass die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche bereits wegen einer schuldhaften Verletzung der Pflichten der Beklagten bei den Vertragsverhandlungen begründet seien, da die Beklagte hierfür nach § 128 HGB einzustehen habe.

Bei Vertragsverhandlungen bestehe die Pflicht, dem Vertragspartner keine Umstände vorzuspiegeln, die für seinen Entschluss wesentlich sein könnten, in Wirklichkeit aber nicht vorhanden seien. Ein Berechnungsbeispiel zur Darstellung der Belastung durch den Erwerb von Wohnungs- und Teileigentum zur Vermögensbildung sei dazu bestimmt, den Kaufentschluss des Umworbenen zu wecken oder zu bestärken. Für den Kaufinteressenten erscheine es als selbstverständlich, dass die Angaben des Verkäufers über die erzielten Mieten zuträfen. Wenn dies nicht der Fall sei, müsse der Verkäufer daher ohne weiteres darüber aufklären. Nach Ansicht des V. Zivilsenats ändert sich daran auch nichts, wenn der Verkäufer das Risiko ausbleibender Mietzahlungen durch Abschluss eines Garantievertrages für einen bestimmten Zeitraum übernimmt. Ein dauerhaftes Leerstandsrisiko liege vor, wenn bereits bei Abschluss des Kaufvertrages Teile des Kaufobjekts nicht zu den in den Verhandlungen angegebenen Konditionen vermietet seien. Der Käufer muss zwar mit einem zukünftigen Risiko des Leerstands der Immobilie rechnen,  jedoch nicht damit, dass sein Erwerb von vornherein nicht mehr als eine Spekulation auf eine künftige Vermietbarkeit zu den vom Verkäufer bei den Kaufvertragsverhandlungen angegebenen Konditionen darstelle. Dies gelte auch dann, wenn der Verkäufer das Leerstandsrisiko zeitlich befristet übernehme. Denn eine befristete Mietgarantie stelle bei vollständiger Finanzierung des Kaufpreises keine dauerhafte Absicherung des Käufers dar. Der Verkäufer sei daher nicht von der Aufklärungspflicht über die tatsächlichen Vermietungsverhältnisse befreit.

Allein aus dem Umstand, dass der Kaufpreis vollständig finanziert wurde und der Kläger zur Bedienung seiner Darlehensverbindlichkeiten auf die Mieteinnahmen angewiesen war, ergibt sich nach Ansicht des BGH, dass der Kläger die Wohnung nicht erworben hätte, wenn er über den Leerstand informiert gewesen wäre.

Andreas Frank

Autor

Andreas Frank, Rechtsanwalt
Anwaltskanzlei Aslanidis, Kress & Häcker-Hollmann