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BGH-Urteil zu falschen Zinsberechnungen in Prämiensparverträgen: Betroffenen stehen Nachforderungen zu

Veröffentlicht von Philipp Niederdellmann am 07. Oktober 2021

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Im Streit um intransparente Zinsanpassungsklauseln in Prämiensparverträgen hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass die strittigen Klauseln unwirksam sind und Kund*innen von Ihrer Sparkasse oder Bank Zinsnachforderungen zustehen (Musterfeststellungsurteil vom 06.10.2021, Az. XI ZR 234/20). Geklagt hatte die Verbraucherzentrale Sachsen gegen die Sparkasse Leipzig in einem Musterfeststellungsverfahren. Betroffen sind insbesondere Prämiensparverträge von Sparkassen aus den 1990er und 2000er Jahren. Die Nachforderungen betragen in vielen Fällen mehrere tausend Euro.

Zinsanpassungsklauseln in Prämiensparverträgen

Seit den 1990er Jahren haben vor allem Sparkassen ihren Kund*innen Prämiensparverträge mit einer variablen Verzinsung und einer gestaffelten verzinslichen Prämie, die ab dem 15. Jahr bis zu 50% der jährlichen Spareinlage betragen kann, angeboten. Besonders attraktiv waren Prämiensparverträge mit einer langen Laufzeit, da ein jährlicher Anstieg die Verzinsung stark anwachsen ließ. Infolge der sehr niedrigen Marktzinsen der letzten Jahre haben Sparkassen die Sparzinsen der Verträge regelmäßig nach unten angepasst. Ihrer Ansicht nach sei dies aufgrund einer Vertragsklausel möglich.

Im Vertragsformular zum Produkt „S-Prämiensparen flexibel“ heißt es unter anderem: „Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit .. % p.a. verzinst.“

In den in die Sparverträge einbezogenen „Bedingungen für den Sparverkehr“ heißt es weiter: „Soweit nichts anderes vereinbart ist, vergütet die Sparkasse dem Kunden den von ihr jeweils durch Aushang im Kassenraum bekannt gegebenen Zinssatz. Für bestehende Spareinlagen tritt eine Änderung des Zinssatzes, unabhängig von einer Kündigungsfrist, mit der Änderung des Aushangs in Kraft, sofern nichts anderes vereinbart ist.“

Zahlreiche alte teilweise aber auch neue Sparverträge enthalten Vereinbarungen, sogenannte Zinsänderungsklauseln oder Zinsanpassungsklauseln, die unserer Ansicht nach und der von Verbraucherschützern rechtswidrig sind. Diese Klauseln ermöglichen es Banken, den Zins nach eigenem Ermessen anzupassen. In den meisten Fällen geht dies zu Lasten der Sparer*innen, die dadurch teilweise erhebliche finanzielle Verluste erleiden.

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Aktuelles BGH-Urteil zu Zinsanpassungsklauseln bestätigt Entscheidung der vorigen Instanz

Wie bereits in früheren Urteilen hat der Bundesgerichtshof die strittigen Zinsänderungsklauseln oder Zinsanpassungsklauseln wegen eines Verstoßes gegen § 308 Nr. 4 BGB für unzulässig erklärt. Dies vor allem deswegen, weil solche Klauseln für Sparer*innen nicht kalkulierbar hinsichtlich möglicher Zinsänderungen sind. Für Verbraucher*innen ist nicht erkennbar, wann und nach welchen Kriterien eine Zinsanpassung vorgenommen wird. Somit ist eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen und als Resultat daraus sind die Zinsen neu zu berechnen. Der BGH machte zudem auch Vorgaben, wie Zinsanpassungen zu berechnen sind. Zur Bestimmung eines geeigneten Referenzzinssatzes hat der BGH das Musterverfahren an das OLG Dresden zurückverwiesen.

Bereits 2004 urteilte der BGH in einem Grundsatzurteil (Az: XI ZR 140/03), dass eine Zinsgestaltung nach „Gutsherrenart“ bei Sparverträgen ungültig sei. Der nun vor dem BGH verhandelte Fall war zuvor am Oberlandesgericht Dresden ebenfalls zugunsten der klagenden Verbraucherschützer entscheiden worden. Das OLG Dresden hat bereits mehrmals, auch im Musterfeststellungsklageverfahren gegen die Sparkasse Leipzig, entschieden, dass die Zinsanpassungsklauseln im Prämiensparvertrag der Sparkasse unwirksam sind (Urteil vom 22.04.2020, Az. 5 MK 1/19).

Hinweis: Auch Kündigung prüfen lassen

Nach Jahren der Niedrigzinsperiode suchen die Sparkassen auch einen Weg um ältere, teure Prämiensparverträge zu beenden. Oftmals bieten sie Kund*innen Tarifwechsel an oder sprechen wie schon in mehreren tausend Fällen geschehen, einfach willkürlich eine Kündigung aus. Willkürliche Kündigungen bei Verträgen, die Ihr Laufzeitende bzw. Ihre höchste Prämienstufe nicht erreicht haben, sind unserer Meinung nach rechtswidrig. Auch in solchen Fällen empfehlen wir die Prüfung der Kündigung durch eine spezialisierte Kanzlei.

Was Betroffene jetzt tun können

  • Für Musterkläger: Jetzt Ansprüche individuell geltend machen. Die sogenannte Musterfeststellungsklage soll es Verbraucher*innen ermöglichen, gemeinsam gegen einen Konzern zu klagen. Der Erfolg bedeutet jedoch nicht automatisch, dass Geschädigte im Anschluss sofort Schadensersatz erhalten. Im Gegenteil: Sie müssen individuell klagen, wenn auch unter vereinfachten Bedingungen.
  • Für alle anderen Betroffenen: Falls Sie von einer zweifelhaften Zinsänderungsklauseln in Ihrem Prämiensparvertrag oder einer Kündigung betroffen sind, können Sie diese von unseren spezialisierten Rechtsanwälten kostenfrei und unverbindlich prüfen lassen.

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Bei weiteren Fragen können Sie uns gerne unter 0711 9308110 anrufen oder das unten stehende Kontaktformular nutzen.

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Philipp Niederdellmann

Autor

Philipp Niederdellmann, Rechtsanwalt
Anwaltskanzlei Aslanidis, Kress & Häcker-Hollmann