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BGH-Urteil zum Widerspruch bei Lebens- und Rentenversicherungen bestätigt: Rechte der Versicherten werden gestärkt

Veröffentlicht von Nursel Orhan am 27. August 2024

Justitia-Hochhäuser

Der Bundesgerichtshof hat erneut zu den Voraussetzungen einer wirksamen Widerspruchsbelehrung bei Lebens- und Rentenversicherungen Stellung genommen (Urteil vom 19.06.2024, Az. IV ZR 401/22). Das Urteil bestätigt, dass Versicherte auch noch Jahre nach Vertragsabschluss erfolgreich widersprechen können, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu gehört insbesondere, dass die Belehrung drucktechnisch deutlich hervorgehoben ist, nicht im Fließtext untergeht und die für den Beginn der Widerspruchsfrist notwendigen Unterlagen eindeutig und zutreffend bezeichnet sind. In einer ähnlichen Entscheidung vom April 2024 urteilte der BGH ebenfalls, dass Verbraucher im Fall einer fehlerhaften Widerspruchsbelehrung ihren Vertrag viele Jahre nach Vertragsschluss rückabwickeln können.

BGH-Urteil zum Widerspruch bei Lebens- und Rentenversicherungen: Darum ging es

Der Kläger in diesem Fall hatte zwei Kapitallebensversicherungsverträge abgeschlossen, die nach dem sogenannten Policenmodell des § 5a VVG (alte Fassung) zustande gekommen waren. Die Verträge wurden in den Jahren 2002 und 2004 geschlossen. Der Kläger widersprach diesen Verträgen erst im Jahr 2021, also rund 19 Jahre nach Abschluss des ersten Vertrages und 17 Jahre nach Abschluss des zweiten Vertrages. Zu diesem Zeitpunkt waren die Verträge bereits durch Kündigung oder Ablauf des Versicherungszeitraumes beendet.

Die Gerichte der Vorinstanzen hatten die Klage des Versicherten auf Rückabwicklung der Verträge zunächst abgewiesen, weil sie bei einem der Verträge von einer ordnungsgemäßen Belehrung ausgingen und bei dem anderen Vertrag zwar eine fehlerhafte Belehrung vorlag, der Widerspruch aber wegen Verwirkung und rechtsmissbräuchlicher Ausübung nicht mehr zulässig war. Der BGH sieht dies anders und hat diese Entscheidungen aufgehoben.

Fehlerhafte Widerspruchsbelehrung bei beiden Verträgen

Der BGH stellte fest, dass in beiden Fällen die Widerspruchsbelehrungen fehlerhaft waren. Die Belehrungen genügten nicht den Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung zu stellen sind. Insbesondere war die Belehrung im Begleitschreiben zum zweiten Vertrag nicht hinreichend deutlich, da sie den Beginn der Widerspruchsfrist zu Unrecht allein an den Erhalt des Versicherungsscheins knüpfte, ohne die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformationen zu erwähnen. Diese Unklarheit hatte zur Folge, dass die Widerspruchsfrist nicht zu laufen begann und der Versicherte noch viele Jahre nach Vertragsschluss wirksam widersprechen konnte.

Das Urteil unterstreicht, dass Versicherte auch noch viele Jahre nach Vertragsschluss widersprechen können, wenn sie nicht ordnungsgemäß über ihr Widerspruchsrecht belehrt wurden. Dabei spielt es keine Rolle, wie viel Zeit seit Vertragsschluss vergangen ist. Entscheidend ist, ob die Belehrung inhaltlich fehlerhaft war und ob der Versicherer die erforderlichen Unterlagen vollständig und richtig übergeben hat.

Verwirkung und Rechtsmissbrauch

Ein weiteres zentrales Thema des Urteils ist die Frage, unter welchen Umständen das Widerspruchsrecht wegen Verwirkung oder rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Versicherten ausgeschlossen sein kann. Der BGH hat klargestellt, dass eine Verwirkung nur bei Vorliegen besonders gravierender Umstände eintreten kann. Diese Umstände seien vom Tatrichter im Einzelfall festzustellen und könnten nicht pauschal angenommen werden.

Das Gericht stellte weiter fest, dass das vom Kläger mit dem späten Widerspruch verfolgte Ziel der Renditeoptimierung nicht ausreiche, um das Widerspruchsrecht als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Auch der Umstand, dass die Verträge bereits abgewickelt waren, kann den Ausschluss des Widerspruchsrechts nicht rechtfertigen. Diese Umstände gehören zur normalen Vertragsabwicklung und können daher nicht als besonders gravierend angesehen werden.

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Die aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu Lebens- und Rentenversicherungen ist erneut sehr verbraucherfreundlich ausgefallen und bietet wertvolle Hinweise für Versicherte, die ihre Rechte geltend machen wollen.

Wer seinen Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag vorzeitig beenden möchte, dem empfehlen wir eine Prüfung durch unsere spezialisierte Rechtsanwaltskanzlei. Als erfahrene Kanzlei bieten wir Ihnen einen umfassenden Service zu diesem Thema: Wir prüfen, ob die Belehrung Ihres Versicherungsvertrages Fehler enthält und wie Ihre Aussichten auf eine erfolgreiche Rückabwicklung sind. Nach Sichtung Ihrer Unterlagen erhalten Sie umgehend eine fundierte Ersteinschätzung zu den Erfolgsaussichten Ihres Falles. Im Rahmen der kostenlosen Ersteinschätzung kümmern wir uns auch um die Deckungsanfrage bei Ihrer Rechtsschutzversicherung.

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Autorin

Nursel Orhan, Rechtsanwältin
Anwaltskanzlei Aslanidis, Kress & Häcker-Hollmann