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Zinssatz-Swap-Geschäfte: Anlegerfreundliches BGH-Urteil

Veröffentlicht von Georgios Aslanidis am 29. März 2016

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich im Rahmen der Revision einer in den Vorinstanzen unterlegenen Bank erneut mit den Pflichten von Banken im Zusammenhang mit der Empfehlung eigener Zinssatz-Swaps befasst (Az.: XI ZR 425/14). Geklagt hatte die nordrhein-westfälische Stadt Hückeswagen, die mit der Rechtsnachfolgerin (Erste Abwicklungsanstalt; EAA) der inzwischen in Abwicklung befindlichen WestLB mehrere Zins-Swap-Verträge abgeschlossen hatte. Bei allen drei streitgegenständlichen Zinssatz-Swap-Verträgen war der Marktwert bei Abschluss aus Sicht der Gemeinde in Höhe von mindestens ca. 2,9 % des jeweils zugrunde liegenden Bezugsbetrages negativ, worüber die Bank die Gemeinde in keinem der Fälle aufgeklärt hatte.

Schadensersatz aufgrund mangelhafter Beratungsleistung  und unterlassener Aufklärung über den anfänglich negativen Marktwert

Die Gemeinde klagte auf Zahlung von Schadensersatz wegen fehlerhafter Beratung durch die Bank, da diese unter anderem nicht über den von ihr eingeräumten anfänglichen negativen Marktwert aufgeklärt habe. Das erstinstanzlich zuständige Landgericht hat der Klage teilweise, das Oberlandesgericht Köln als Berufungsgericht auf die Berufung der Gemeinde in vollem Umfang (bis auf einen geringen Teil der Klageforderung) stattgegeben. Die von der Bank eingelegte Revision wurde vom Oberlandesgericht zurückgewiesen.

BGH bekräftigt die Aufklärungspflicht der Banken über den anfänglich negativen Marktwert

Dies hat nun auch der BGH weitgehend bestätigt und der Gemeinde Recht gegeben, auch wenn der für Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat die Sache an das OLG Köln zurückverwiesen hat. Der Bundesgerichtshof hat Lücken in der Beweisaufnahme des OLG Köln gerügt, die dieses nun schließen muss. Insoweit ist der Pressemitteilung des BGH vom 22. März 2016 – Nr. 60/16 – zu entnehmen, dass das OLG Vorbringen der beklagten Bank nicht als unbeachtlich übergehen durfte. Die Anwälte der EAA hatten vorgetragen, dass den für die Gemeinde verantwortlich handelnden Personen die Einpreisung einer Marge durch die Bank bekannt gewesen sei. Dieser Umstand habe letztlich zu dem anfänglich negativen Marktwert der Geschäfte geführt. Lediglich die genaue Höhe sei der Gemeinde nicht bekannt gewesen, habe sie aber auch nicht interessiert. Diese Kenntnis ergebe sich daraus, dass der Stadtkämmerer an einem Workshop über Swapgeschäfte teilgenommen habe, weshalb er positive Kenntnis von diesem Umstand gehabt haben müsse. Zudem sei es die Stadt gewesen, die immer riskantere Geschäfte habe abschließen wollen, um die eingetretenen Verluste nicht realisieren zu müssen. Hätte die klagende Gemeinde tatsächlich positive Kenntnis vom anfänglich negativen Marktwert gehabt, wäre die Klage aus Sicht des BGH unbegründet.

BGH bestätigt bisherige Rechtsprechung zu Zinssatz-Swap-Geschäften

Insoweit hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung zu Swap-Geschäften bestätigt und nochmals klargestellt, dass bei der Beratung über ein Swap-Geschäft ein Anlageberatungsvertrag zwischen Bank und Kunde zustande kommt. Aus diesem folgt, dass die Bank ihren Kunden anleger- und anlagegerecht beraten muss. Darüber hinaus hat die Bank gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG Interessenkonflikte zu vermeiden und unvermeidbare Interessenkonflikte gegenüber dem Kunden offen zu legen. Hierzu gehört auch die Aufklärung über den anfänglichen negativen Marktwert bei Swapgeschäften, d.h. dass Swapgeschäfte von der Bank so strukturiert werden, dass sie einen finanziellen Vorteil zu Lasten des Kunden erlangt.

Bundesgerichtshof stellt hohe Anforderungen an Konnexität und Vorteilsanrechnung

Erfreulicherweise hat der Bundesgerichtshof nunmehr auch die umstrittene Frage geklärt, wann Zinssatz-Swap-Geschäfte mit einem Darlehensvertrag konnex sind, so dass die beratende Bank ausnahmsweise nicht auf einen schwerwiegenden Interessenkonflikt hinweisen muss, der sich aus der Umschichtung eines anfänglichen negativen Marktwertes ergibt. Insoweit bestätigt der BGH die von unserer Kanzlei und anderen Anlegeranwälten vertretene Auffassung, dass eine Konnexität nur dann vorliegen kann, wenn die Verträge in allen wesentlichen Punkten so übereinstimmen, dass – zumindest teilweise – entweder ein variabel verzinsliches Darlehen in ein synthetisches Festzinsdarlehen oder ein Festzinsdarlehen in ein synthetisches variabel verzinsliches Darlehen umgewandelt wird.

  • Um konnex zu sein, muss der Zinssatz-Swap-Vertrag daher mit der Bank abgeschlossen werden, die auch Darlehensgeberin des Kunden ist. Darüber hinaus muss der Bezugsbetrag des Zinssatz-Swap-Vertrags gleich oder nicht höher sein als der ausstehende Rückzahlungsbetrag eines bereits bestehenden oder gleichzeitig mit dem Zinssatz-Swap-Vertrag abgeschlossenen Darlehensvertrags. Darüber hinaus muss die Laufzeit des Zinssatz-Swap-Vertrages im Falle eines variabel verzinslichen Darlehens der Laufzeit des Darlehensvertrages und im Falle eines festverzinslichen Darlehens der Laufzeit der Zinsfestschreibung entsprechen bzw. darf diese nicht überschreiten. Die Zahlungsverpflichtungen der Bank müssen denen des Kunden entsprechen. Darüber hinaus muss die Bank jeweils zum gleichen Stichtag entweder den auf denselben Basiswert (zum Beispiel einen Referenzzinssatz) bezogenen variablen Zinssatz des Kunden aus dem Darlehensvertrag gegen einen Festzinssatz übernehmen oder dem Kunden den von ihm aus dem Darlehensvertrag geschuldeten Festzins gegen einen variablen Zinssatz zahlen.
  • Darüber hinaus hat der BGH zur Frage der Vorteilsanrechnung Stellung genommen und insoweit klargestellt, dass ein Vorteil anrechenbar sein kann, wenn der Kunde aufgrund desselben Beratungsfehlers der Bank bei unterbliebener Aufklärung über die Einpreisung eines anfänglichen negativen Marktwerts einen (neuen) Zinssatz-Swap-Vertrag abschließt und gleichzeitig einen anderen, für ihn nachteiligen Swap-Vertrag ablöst. Der dann bestehende Vorteil des Kunden in Höhe des negativen Marktwertes des Altvertrages ist jedoch nicht anzurechnen, wenn bereits der erste, ersetzte Swap-Vertrag aufgrund einer schuldhaften Pflichtverletzung – eines Beratungsfehlers der Bank – zustande gekommen ist. Unerheblich ist insoweit, ob Ansprüche wegen Falschberatung im Zusammenhang mit dem Altvertrag bereits verjährt sind.

Zusammenfassung des BGH-Urteils

Der Bundesgerichtshof hat mit diesem Urteil die Rechte der Anleger erneut gestärkt. Durch die nunmehr höchstrichterlich aufgestellten hohen Anforderungen an die Konnexität bei Zinsswap-Verträgen kann in vielen Fällen eine Beratungspflichtverletzung durch Nichtaufklärung über die den Swap-Geschäften immanenten anfänglichen negativen Marktwerte dargelegt werden. Auch den Versuchen der Banken, den anfänglichen negativen Marktwert als lediglich nicht aufklärungspflichtige Marge darzustellen, hat der BGH eine Absage erteilt.

Zinssatz-Swap-Geschäfte: Was können betroffene Bankkunden jetzt tun?

Betroffene Bankkunden, die Zinsswap-Geschäfte abgeschlossen haben, sollten sich umfassend von einem auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierten Rechtsanwalt beraten und mögliche Ansprüche gegen die Bank prüfen lassen. Gerne können Sie sich über unser Kontaktformular mit uns in Verbindung setzen und sich umfassend über die in Ihrem konkreten Fall bestehenden Handlungsoptionen informieren.