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Daimler AG im Abgasskandal: Aslanidis, Kress & Häcker-Hollmann erstreiten Urteil vor dem Landgericht Stuttgart

Das Landgericht Stuttgart hat die Daimler AG in einem von der Kanzlei AKH-H geführten Verfahren im Zusammenhang mit dem Mercedes-Abgasskandal zu Schadensersatz verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Daimler AG den Kläger beim Erwerb seines Fahrzeugs vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat. Das Urteil vom 26.09.2019 (Az. 23 O 112/19) ist noch nicht rechtskräftig.
Daimler AG im Abgasskandal: Sachverhalt und Urteil
Der Kläger erwarb einen Mercedes Benz V 250d. Dieses Fahrzeug war von einem amtlichen Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes betroffen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass das Fahrzeug über eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 II der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 verfügt und dem Kläger der daraus entstandene Schaden zu ersetzen ist. Nachdem das Gericht im Rahmen der Nutzungsentschädigung die gefahrenen Kilometer auf der Basis einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km in Abzug gebracht hatte, wurde die Daimler AG zur Zahlung von 24.184,01 Euro verurteilt. Die Verurteilung erfolgte Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs.
Zwischen den Parteien war unstreitig, dass das Fahrzeug von einem amtlichen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes betroffen war. Streitig war dagegen, ob das Fahrzeug über eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der einschlägigen europäischen Verordnung verfügte und wie diese im Einzelnen ausgestaltet war. Nachdem die Daimler AG wesentliche Informationen verweigert hatte, bewertete das Landgericht dieses Verhalten entsprechend. Die Beklagte sei der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen. Das Gericht sah den Vortrag des Klägers als ausreichend an, um der Gegenseite eine entsprechende sekundäre Darlegungslast aufzuerlegen.
Das Gericht führte aus, dass der Kläger als Verbraucher nicht in der Lage sei, die Einzelheiten der Motorsteuerung unter dem Gesichtspunkt der Abgasreinigung dezidiert zu erläutern. Dabei hat es zutreffend erkannt, dass der Kläger – auch unter Einschaltung eines Privatgutachters – keinen Zugang zu den erforderlichen Informationen und entsprechenden Softwaredateien hat. Umgekehrt ist es der Beklagten als Entwicklerin und Herstellerin des Motors ohne weiteres möglich, die Einzelheiten der Abgasrückführung zu erläutern und insbesondere die Frage nach einer Abschalteinrichtung zu beantworten. Dies gilt umso mehr, als das Kraftfahrt-Bundesamt für das streitgegenständliche Fahrzeug einen Rückruf angeordnet und dabei bestimmte Funktionsweisen als unzulässige Abschalteinrichtung beanstandet hat.
Die weiteren Begründungen des Gerichts
Das Gericht stufte das Verhalten der Daimler AG auch als sittenwidrig ein. Die Sittenwidrigkeit des Verhaltens ergebe sich aus der besonderen Verwerflichkeit der Täuschung der Kunden nach Umfang und Vorgehensweise. Dies geschehe unter Ausnutzung des Vertrauens der Käufer in eine staatliche Institution, nämlich das Kraftfahrtbundesamt (das von der Beklagten durch das Verschweigen der unzulässigen Abschalteinrichtung ebenfalls getäuscht worden sei) und unter Inkaufnahme einer Schädigung nicht nur der Käufer, sondern auch der Umwelt.
Hinsichtlich des Vorsatzes war das Gericht davon überzeugt, dass die Integration der Abschalteinrichtung in die Motorsteuerungssoftware mit Wissen und Wollen eines oder mehrerer Vorstandsmitglieder oder eines oder mehrerer Repräsentanten erfolgte und der Beklagten daher gemäß § 31 BGB zuzurechnen ist. Es war ferner davon überzeugt, dass die Vorstandsmitglieder bzw. Repräsentanten in der Vorstellung handelten,
- die manipulierten Motoren würden in Fahrzeuge der Daimler AG eingebaut
- unter Täuschung der zuständigen Behörde eine EG-Typgenehmigung beantragt, obwohl die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen
- und die Fahrzeuge würden anschließend veräußert.
Dabei ging das Landgericht Stuttgart davon aus, dass der Kläger nicht mehr vortragen konnte, in welcher Organisationseinheit der Beklagten die unzulässige Abschalteinrichtung entwickelt, verwendet und eingebaut wurde, wer die Entscheidung darüber getroffen hat und wie die Entscheidung wann und wem mitgeteilt wurde.
Angesichts der Tragweite der Entscheidung über die risikobehaftete Gestaltung der Motorsteuerungssoftware, die flächendeckend in einer Vielzahl von Fahrzeugen eingesetzt werden sollte, erscheint es aus Sicht des Gerichts unwahrscheinlich, dass die Entscheidung für eine rechtswidrige Software ohne Beteiligung des Vorstands getroffen wurde und allein auf ein Fehlverhalten untergeordneter Konstrukteure zurückgeführt werden kann. Das Gericht wies auch darauf hin, dass es sich um eine strategische Entscheidung mit außergewöhnlichen Risiken für den Gesamtkonzern und auch massiven persönlichen Haftungsrisiken für die entscheidenden Personen gehandelt haben könnte. Dem stand angesichts der arbeits- und strafrechtlichen Risiken kein auch nur annähernd adäquater wirtschaftlicher Vorteil für die nachgeordneten Konstrukteure gegenüber. Derjenige, der die Genehmigung für die Entwicklung und den Einsatz einer solchen Software erteilte, musste eine wichtige Funktion im Unternehmen innehaben und mit erheblichen Kompetenzen ausgestattet sein.
Fazit zum Urteil
Die Entscheidung des Landgerichtes stärkt die Rechte betroffener PKW-Eigentümer. Sie zeigt insbesondere auf, dass ein Vorgehen gegen große Konzerne wegen Abgasmanipulation nicht von vornherein mangels ausreichender Detailkenntnisse aussichtslos ist. Selbstverständlich trifft die Autobauer in diesen Fällen auch eine sekundäre Darlegungslast.
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