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Urteil Betriebsschließungs­versicherung: Beispiele für Entscheidungen zugunsten der Versicherungsnehmer

Veröffentlicht von David Philips-Kontopoulos am 25. November 2020

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Hotels und Gastronomiebetriebe verzeichnen in Folge der Corona-Krise nie dagewesene Umsatzeinbrüche. Laut einer Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) im August 2020, also noch vor dem zweiten Lockdown, sahen fast 60 Prozent der befragten Betriebe ihre Existenz gefährdet. Etwa ein Viertel der betroffenen Hotel-und Gastronomiebetriebe habe eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen. Viele Versicherer, darunter auch die Allianz, versuchen mit den versicherten Betrieben die sogenannte Bayerische Lösung zu finden und rund 15 Prozent des eigentlich versicherten Schadens zu erstatten. Einige wenige Versicherungen wie beispielsweise die HDI bieten ihren Kunden bis zu 80 % des versicherten Tagegeldes. Insgesamt sind viele Betriebsinhaber in ihrer Erwartung, Leistungen aus der Betriebsschließungsversicherung zu erhalten, enttäuscht worden. Immer mehr Betriebe ziehen deshalb vor Gericht. Nach der ersten Klagewelle infolge der Betriebsschließungen im Frühjahr 2020 liegen nun die ersten Entscheidungen der Gerichte vor. Darunter sind sowohl Urteile, die für den Versicherer entscheiden, als auch Urteil zugunsten der Versicherungsnehmer.

In einem besonders prominenten Fall ging es um den Gastronomiebetrieb „Münchner Augustiner-Keller“. Aufgrund der enormen finanziellen Verluste und der damit einhergehenden behördlich angeordneten Betriebsschließung forderten die Betroffenen von ihrer Betriebsschließungsversicherung eine Entschädigung. Die Richter aus München sprachen dem klagenden Gastronomiebetrieb über eine Million Euro als Versicherungssumme zu (Landgericht München I, Urteil vom 01.10.2020, Az. 12 O 5895/20).

Viele geschädigte Versicherungsnehmer fragen sich, bei welchen Konstellationen die Gerichte zugunsten der Geschädigten urteilten.

LG München: Einschränkende Klausel in Versicherungsbedingungen intransparent und unwirksam

Das Landgericht München I hat auch einer weiteren Klage gegen eine Versicherung wegen einer coronabedingten Betriebsschließung stattgegeben. Geklagt hatte die Betreiberin eines Münchener Gasthauses. Sie erstritt fast 430.000,- Euro. (Landgericht München I, Urteil vom 22.10.2020, Az. 12 O 5868/20). Eine den Versicherungsschutz einschränkende Klausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen stufte die Kammer als unwirksam – da intransparent – ein.

Nach Ansicht des Gerichts sei ausschlaggebend, dass das versicherte Unternehmen, wie in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) festgelegt, auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) geschlossen wurde. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hatte den klägerischen Betrieb ab dem 21.03.2020 aufgrund des Coronavirus geschlossen. Das  Coronavirus erst seit 1. Februar 2020 im Katalog der meldepflichtigen Krankheiten im IfSG aufgeführt. Erst im Februar 2020 wurde das Coronavirus als meldepflichtige Krankheit erfasst und schließlich durch das zweite Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite unter § 6 1 Ziffer 1 lit. t als „Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19)“ ausdrücklich in den Katalog des IfSG aufgenommen.

Der Versicherungsumfang wurde auch nicht wirksam eingeschränkt. In den Versicherungsbedingungen ist u.a. geregelt:

§1 Gegenstand der Versicherung, versicherte Gefahren

1. Versicherungsumfang

Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2)

a) den versicherten Betrieb […] schließt; […].

2. Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger
Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger:

Es folgt eine Aufzählung von 18 Krankheiten und 49 Krankheitserregern. Die Versicherung begründete ihr Nein zur Einstandspflicht u.a. damit, dass das Coronavirus nicht Gegenstand der Versicherung sei. Die Auflistung umfasse das Virus und sei abschließend.

Wortlaut suggeriert umfassenden Versicherungsschutz

Nach Ansicht des Landgerichts München müsse einem Versicherungsnehmer, wenn der Versicherungsschutz durch eine Klausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen eingeschränkt wird, deutlich vor Augen geführt werden, in welchem Umfang Versicherungsschutz trotz der Klausel besteht. Diesen Anforderungen genüge § 1 Ziffer 2 AVB nicht. Der Versicherungsnehmer gehe auf Basis des Wortlauts der AVB davon aus, dass der Versicherungsschutz dem Grunde nach umfassend ist und sich mit dem IfSG deckt und in § 1 Ziffer 2 AVB eine bloße Wiedergabe der gesetzlich erfassten Krankheiten und Krankheitserreger erfolgt. Dass die Auflistung der Krankheiten und Krankheitserreger in § 1 Ziffer 2 AVB jedoch im Vergleich zum IfSG unvollständig ist, sei für den Versicherungsnehmer nicht naheliegend. Denn eine klare und deutliche Formulierung – wie zum Beispiel „nur die folgenden“, „ausschließlich die folgenden“ oder „diese Auflistung ist abschließend“ – enthalte die Klausel nicht.

LG Hamburg: Versicherungsschutz Kraft Generalklausel im Infektionsschutzgesetz

Auch das Landgericht Hamburg hat eine Leistungspflicht des Versicherers anerkannt und die Helvetia Versicherung zur Zahlung verurteilt (Urteil vom 4. November 2020, Az. 412 HKO 91/20). Geklagt hatte die Betreiberin eines Hamburger Restaurants; sie erstritt über 225.000,- Euro. Auch in diesem Fall war der Versicherer der Meinung, dass Covid-19 nicht versichert sei, weil es sich um eine neue Krankheit handelt, die nicht in der Liste des Infektionsschutzgesetzes erfasst ist. Auch das Landgericht Hamburg verneint, dass eine Aufzählung der Krankheiten und Erreger den Versicherungsumfang wirksam einschränkt. Die Gastronomin dürfe nach Ansicht des Gerichts davon ausgehen, dass der Versicherungsschutz Covid-19 umfasst und sich mit dem Infektionsschutzgesetz deckt.

Nach der Entscheidung des Landgerichts Hamburg ist COVID-19 ein meldepflichtiger Krankheitserreger gemäß §§ 6, 7 IfSG, auch wenn dieser erst nach Auftreten der Pandemie im Februar 2020 in das IfSG aufgenommen wurde. Das Gericht verweist insoweit auf die Generalklausel des § 6 Abs. 1 Nr. 5 IfSG, wonach sämtliche unbekannten, meldepflichtigen und bedrohlichen übertragbaren Krankheiten vom Gesetz erfasst würden.

LG Mannheim: Nicht eindeutig formulierte Versicherungsbedingungen

Im Fall vor dem Landgericht Mannheim (Urteil vom 29.04.2020, Az. 11 O 66/20) ging es um den Anspruch eines Hotelbetreibers auf Leistungen aus einer Betriebsunterbrechungsversicherung wegen coronabedingten Schließung des Hotels. Das Gericht bestätigte den Anspruch auf die Versicherungsleistung und damit die Position des Versicherungsnehmers.

In den Versicherungsbedingungen erfolgte keine Aufzählung verschiedenen Krankheiten oder Erregern, es wurde lediglich auf die in §§ 6, 7 IfSG aufgezählten Krankheiten und Krankheitserreger Bezug genommen. Nach Ansicht des Gerichts erfasse die Formulierung in einem Betriebsunterbrechungsversicherungsvertrag „die in §§ 6, 7 IfSG namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserreger“ im Sinne einer dynamischen Verweisung alle – auch bei nachträglichen Gesetzesänderungen – unter diese Vorschriften fallenden meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger. Darunter falle auch das SARS-Corona-Virus und die dadurch ausgelösten Erkrankungen. Auch das Landgericht Mannheim weist alle Einwendungen des Versicherers gegen eine Einstandspflicht als juristisch unbegründet zurück.

Fazit: Starke Position der Versicherungsnehmer

Immer mehr Gerichte widerlegen Einwendungen der Versicherungswirtschaft gegen bestehenden Versicherungsschutz bei coronabedingten Betriebsschließungen. Die Urteile sind für Betroffene nicht nur hinsichtlich einer möglichen Klage positiv, sondern stärken auch die Position der Versicherungsnehmer bei außergerichtlichen Verhandlungen. Erst kürzlich wurde bekannt, dass die Allianz und die Münchner Gaststätte „Paulaner am Nockherberg“ sich im Rechtsstreit um die Kosten für die Corona-Schließungen außergerichtlich geeinigt haben.

Grundsätzlich sichert eine Betriebsschließungsversicherung den Betrieb gegen die Auswirkungen einer nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtigen Krankheit ab. Ob der Corona-Virus dazu gehört, hängt von den jeweils vereinbarten Bedingungen ab. Voraussetzung ist in vielen Policen, dass die zuständige Behörde eine Betriebsschließung angeordnet hat. Immer, wenn der Versicherungsschutz durch eine Klausel eingeschränkt wird, muss die Versicherung dem Versicherten genau erklären, was das für seinen Versicherungsschutz bedeutet. Wird in den Versicherungsbedingungen nur pauschal auf die Regeln zu meldepflichtigen Krankheiten im Infektionsschutzgesetz (InfSG) verweisen, bieten diese nach unserer Rechtsauffassung Versicherungsschutz, da Covid-19 seit 1. Februar 2020 eine nach dem InfSG meldepflichtige Krankheit ist.

Sollten die konkreten Versicherungsbedingungen keinen Versicherungsschutz für den Seuchenfall enthalten, lohnt es sich zu prüfen, ob eine Falschberatung durch den Versicherungsmakler besteht. Denn dieser hätte unter Umständen auf die Möglichkeit einer Versicherung gegen Seuchenschäden hinweisen müssen.

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David Philips-Kontopoulos

Autor

David Philips-Kontopoulos, Rechtsanwalt
Anwaltskanzlei Aslanidis, Kress & Häcker-Hollmann