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Im Abgasskandal um den VW-Motor EA 189 ist noch nichts verjährt – Verjährungsbeginn nach Ansicht des LG Ellwangen erst mit BGH-Urteil aus 2020

Veröffentlicht von Marco Albrecht am 16. November 2020

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Die Kanzlei Aslanidis, Kress und Häcker-Hollmann hat im Abgasskandal vor dem Landgericht Ellwangen (Urteil vom 06.11.2020, Az. 4 O 174/20) erneut ein positives Urteil gegen die Volkswagen AG erstritten. Im Rahmen des Urteils wurde dem Kläger ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 6.382,51 € nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Autos, einem VW Touran, zugesprochen. Der Kläger hatte im Jahr 2020 Klage erhoben. Nach Ansicht des LG Ellwangen sind die Ansprüche des geschädigten VW-Kunden nicht verjährt.

Der Fall vor dem Landgericht Ellwangen

Im Fall vor dem LG Ellwangen ging es um einen VW Touran 1 T, in dem ein Motor EA 189 verbaut ist. Das Fahrzeug ist vom Abgasskandal betroffen, denn  es lag ein amtlicher Rückruf des Kraftfahrtbundesamtes vor. Die Rückrufaktion der beklagten Volkwagen AG zu diesem Modell begann im Januar 2016. Im Jahr 2017 wurde ein Software-Update aufgespielt. Der Kläger hatte sich nicht an dem VW-Musterfeststellungsverfahren beteiligt und im Jahr 2020 Klage zum Landgericht Ellwangen erhoben. Nach erfolgter mündlicher Verhandlung und Befragung des Klägers hat das Landgericht der Klage überwiegend stattgegeben und die Beklagte wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 6.382,51 € nebst Prozesszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Autos verurteilt. Das Gericht stellte zudem fest, dass sich die Beklagte mit der Annahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Verzug befindet. Nutzungsersatz wurde auf Basis einer Gesamtfahrleistung von 300.000 km abgezogen.

Zur Frage der Verjährung beim VW-Motor EA 189

Die beklagte Volkswagen AG hat sich im Rahmen des Verfahrens auch auf die Einrede der Verjährung berufen. Insoweit war fraglich, ab wann bei dem Kläger entsprechende Kenntnis, respektive grob fahrlässige Unkenntnis vorliegen würde und ob seine Ansprüche bei Klageerhebung im Jahr 2020 gegebenenfalls nicht mehr durchsetzbar waren. Die Beklagte berief sich diesbezüglich auf die Mitteilungen und Presseberichterstattung aus den Jahren 2015 und 2016. Dem Vortrag der Beklagten zur Verjährung hat das Landgericht eine klare Absage erteilt.

Das Landgericht Ellwangen vertritt völlig zu Recht die Ansicht, dass die Verjährung keinesfalls vor dem Jahr 2017 zu laufen begonnen haben kann. Unter Berufung auf den Bundesgerichtshof führt das Landgericht Ellwangen aus:

„Ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag; in diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn (BGH, Urteil vom 16.06.2016, I ZR 222/14)“

Dabei stellt es zutreffend fest, dass die zivilrechtliche Rechtslage bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofes im Mai 2020 höchst unklar war. Unter den deutschen Gerichten herrschte vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofes lange Uneinigkeit darüber, ob der Volkswagen AG eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung vorgeworfen werden kann. Der Kläger hatte aus Sicht des Landgerichtes Ellwangen vor 2017 keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass ein den Organen der Beklagten zurechenbares sittenwidriges Verhalten vorlag. Dies auch deshalb, weil eine Anklageerhebung gegen Martin Winterkorn nach jahrelanger Ermittlungen erst im Jahr 2019 erfolgte und die Volkwagen AG eine Kenntnis von Mitgliedern des Vorstandes bis heute bestreitet. Zudem wurde von der Beklagten zur Frage der Verantwortlichkeit im Jahr 2015 erklärt, dass die Beklagte von dem rechtswidrigen Verhalten von Technikern und Entwicklern in der Motorenentwicklung geschockt gewesen sei. Kurz darauf wurde eine umfassende Aufklärung von der Beklagten angekündigt. In einer Pressemitteilug von 2016 hieß es, dass nach dem derzeitigen Kenntnisstand der Volkswagen AG keine eindeutigen und schwerwiegenden Pflichtverletzungen von aktuellen oder ehemaligen Vorstandsmitgliedern festgestellt wurden. Diese Gesamtschau hat das Landgericht Ellwangen dazu veranlasst, einen Beginn der Verjährung jedenfalls nicht vor 2017 anzunehmen. Aufgrund dieser Umstände war es dem Kläger nicht zumutbar gewesen, bereits im Jahr 2016 Klage gegen die Volkswagen AG einzureichen.

Fazit zum Urteil

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Diese Entscheidung stärkt aber schon jetzt die Rechte geschädigter PKW-Eigentümer. Das Landgericht Ellwangen hat mit inhaltlich guter Argumentation, entsprechender Auseinandersetzung, sowie Aufarbeitung des Verhaltens der Volkswagen AG in der Vergangenheit, die Einrede der Verjährung als nicht durchgreifend bewertet. Bei konsequenter Beachtung der vom Landgericht Ellwangen herangezogenen Aspekte würde eine Verjährung auch erst mit dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom Mai dieses Jahres zu laufen beginnen. Damit wären entsprechende Ansprüche bei allen Eigentümern betroffener PKW mit Motor EA 189 grundsätzlich nach wie vor durchsetzbar, soweit der Kauf nicht mehr als 10 Jahre zurückliegt und vor dem 22.09.2015 (Zeitpunkt der Ad-hoc Mitteilung von VW) erfolgte.

Vor diesem Hintergrund kann es sich, mit Blick auf eine mögliche Verjährung, auch jetzt noch lohnen Ansprüche individuell prüfen zu lassen und gegebenenfalls geltend zu machen. Dies gilt unabhängig von der Frage der Anmeldung zum Musterfeststellungsverfahren. Auch bei Eigentümern von Fahrzeugen mit anderen Motoren und von anderen Herstellern lohnt es sich, mögliche Ansprüche individuell prüfen zu lassen.

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