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Quo vadis Diesel – Fahrverbote in deutschen Städten

Veröffentlicht von Annekatrin Schlipf am 30. Juli 2018

Auspuff

Die Debatten um Fahrverbote für Dieselautos in vielen deutschen Innenstädten bestimmten die Nachrichten in Funk und Fernsehen und die Berichterstattung in vielen Zeitungen. Auch in den digitalen Medien wird dieses Thema kontrovers diskutiert. Über viele Jahre wurde Dieselkraftstoff von verschiedenen Bundesregierungen mit geringeren Steuersätzen gefördert. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Diesel-Kraftstoff ursprünglich nicht als Antriebsmittel für PKWs, sondern vorzugsweise im Transportwesen für LKWs gedacht war. Mit einer hohen Besteuerung befürchtete man negative Auswirkungen auf die Wirtschaft; darüber hinaus sollten PKW-Fahrer zu einer sparenden Fahrweise angehalten werden. Entsprechend höher ist auch heute noch die Besteuerung für PKWs, die mit Benzin fahren. Zudem ist ein Liter Dieselkraftstoff im Schnitt 20 bis 30 Cent billiger als ein Liter Benzin. Allerdings ging die Erwartung der Politik nicht auf – im Laufe der Jahre entschieden sich immer mehr PKW-Fahrer für diese günstige Steuerklasse und den im Vergleich zu Benzin günstigeren Diesel. Niemand kritisierte die schädlichen Auswirkungen dieses Kraftstoffes außer Umweltverbände, Umweltschützer und einzelne Politiker der Grünen, bis im September 2015 die Bombe um millionenfache Abgasmanipulationen innerhalb des Volkswagenkonzerns platzte.

Situation der Kunden in den USA im Vergleich zu Deutschland

In den USA waren etwa eine halbe Million manipulierter Dieselautos des Volkswagen-Konzerns verkauft worden. Die Umweltbehörde der USA verhängte Strafen in Milliardenhöhe, Gerichtsverfahren mit hohen Schadenersatzklagen folgten. Hunderttausende Dieselautos mussten von VW zurückgekauft werden. Die betroffenen Fahrzeughalter erhielten eine Entschädigung von bis zu 5.000,- $.

Wie gestaltet sich die Situation für betroffene deutsche Autofahrer?
Die Autohersteller verwahren sich bislang gegen jede Maßnahme, die über ein vergleichsweise günstiges Software-Update hinausgeht. Auf die Frage, warum betroffene Autofahrer in den USA so viel bessergestellt werden, als Halter von Dieselautos in Deutschland, lautet die Antwort: in den USA sei die Ausgangssituation eine andere. Ferner würden die Kunden durch das Software-Update keinen Schaden erleiden. Ob das Update vollbringt, wozu Ingenieure jahrelang nicht in der Lage waren, und auch keine Folgeschäden verursacht, wird bezweifelt. Spätestens seitdem das Bundesverwaltungsgericht den Weg für Fahrverbote freigemacht hat, sind die betroffenen Autofahrer mit den unmittelbaren Auswirkungen des Dieselskandals konfrontiert.

Betroffene Städte in Deutschland

In Hamburg sind seit Mai 2018 zwei Straßenzüge für Dieselfahrzeug gesperrt, die die Abgasnorm Euro 6 nicht erfüllen. Für die Einhaltung der Fahrverbote führt die Polizei stichprobenartig Kontrollen in den betroffenen Abschnitten durch.
Bei den drohenden Fahrverboten in deutschen Städten ist Stuttgart am härtesten betroffen. Hier gelten ab Januar 2019 umfangreiche Fahrverbote, die weit über einzelne Straßenzüge hinausgehen. Für Anwohner soll eine Übergangsfrist bis April 2019 gelten. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit seinem Urteil vom 27.02.2018 entschieden, dass Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in besonders betroffenen Städten rechtens sind. Für Stuttgart ordneten die Richter genau bestimmte Maßnahmen an. Zu prüfen sind Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge der Abgasnormen Euro 1 bis 4. Für Dieselautos der Abgasnorm Euro 5 sollen Fahrverbote frühestens ab September 2019 verhängt werden. Ein konkretes Datum hatte das Land Baden-Württemberg jedoch bislang nicht genannt. Aktuell hat das Verwaltungsgericht Stuttgart dem Land eine Frist bis Ende August 2018 gesetzt,  um den Luftreinhaltungsplan nachzubessern und Fahrverbote für die Abgasnorm Euro 5 zu benennen.
Für Handwerker und Anlieger werden Ausnahmen gefordert. Insgesamt sind 37 Städte betroffen, in denen die Abgasgrenzwerte sicherlich nicht einzuhalten sind. Betroffen sind zum Beispiel Düsseldorf, Dortmund, Berlin, Freiburg, Wuppertal, Gelsenkirchen, Osnabrück, Nürnberg, Regensburg, Gießen und Essen. Hier ist die Zukunft der Dieselfahrzeuge noch ungewiss, die betroffenen Autofahrer müssen jedoch mit Fahrverboten rechnen. Hinzu kommen weitere fast dreißig deutsche Städte, in denen ein Fahrverbot wahrscheinlich ist.

Während Umweltverbände noch strengere Maßnahmen fordern, warnt der Mittelstandsverband BVMW, die Fahrverbote würden die Existenz zahlreicher kleiner und mittelständischer Unternehmen bedrohen. Zudem käme dieses Gesetz einer Enteignung von Betriebsvermögen gleich. Von der Europäischen Union droht Deutschland zudem ein Klageverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof aufgrund der Nichteinhaltung der vorgegebenen Stickstoffoxidwerte. Vor diesem Hintergrund verlieren Dieselfahrzeuge immer mehr an Wert.

Die Verlierer des Dieselskandals sind die Kunden der Automobilhersteller, denn Fahrverbote bedeuten einen zusätzlichen Wertverlust, geschätzt pro Jahr mehr als  400,- € . Der Absatz von Dieselfahrzeugen bricht zudem immer weiter ein. Diese Tatsache führt zu einem Überangebot, das wiederum einen erneuten Wertverlust nach sich zieht. Langfristig müssen Fahrzeughalter eines sogenannten Schummeldiesel mit einem Wertverlust im vierstelligen Bereich rechnen. Autoexperten befürchten indes, dass verschiedene Autoteile durch das Software-Update einem schnelleren Verschleiß unterliegen, was gleichfalls einen Wertverlust nach sich zieht.
Auch wenn deutsche Autofahrer nicht in die komfortable Situation ihrer Leidensgenossen in den USA kommen werden, gibt es dennoch einige Maßnahmen, mit denen sie ihre Situation verbessern können.

Widerruf von Kredit- und Leasingverträgen

Fahrzeughalter, die ihren Diesel-PKW über einen Autokredit oder Leasing finanziert haben, können eine rechtliche Lücke zu ihren Gunsten ausnutzen. Eine genaue Überprüfung der Finanzierungs- oder Leasingunterlagen gibt Aufschluss darüber, ob die vom Gesetzgeber geforderte Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß erfolgt ist. Hier ergeben sich durchaus gute Chancen, das Dieselfahrzeug loszuwerden. Eine nicht erfolgte oder unvollständige Widerrufsbelehrung führt dazu, dass die Widerrufsfrist nie in Gang gesetzt wurde. Was bedeutet diese Situation für die betroffenen Kunden? Die gesetzliche Widerrufsfrist für geschlossene Verträge beträgt vierzehn Tage. Wenn aber die Widerrufsinformation falsch oder Pflichtangaben fehlen, beginnt diese Frist nicht an zu laufen und Verbraucher könne die entsprechenden Verträge noch Jahre nach Abschluss widerrufen und den Vertragsgegenstand zurückgeben. Rechtlich gesehen sind Verträge mit einer nicht ordnungsgemäß erfolgten Widerrufsbelehrung nach erfolgtem Widerruf nicht zustande gekommen und werden rückabgewickelt. Der Kreditnehmer gibt das Dieselfahrzeug an die Bank zurück und muss den Kredit nicht weiter abzahlen.

Sollten bis zu diesem Zeitpunkt bereits Anzahlungen oder Ratenzahlungen geleistet worden sein, erhalten Kunden das Geld zurück. Der größte Vorteil ist jedoch das Entgehen des Wertverlustes, denn unter normalen Umständen lässt sich ein Dieselfahrzeug kaum ohne oder nur mit – teilweise hohem – Wertverlust veräußern. Bei Verträgen nach dem 12.06.2014 ist insbesondere eine Nutzungsentschädigung nicht abzuziehen. Beim Restwert-Leasing ist diese rechtliche Lücke besonders attraktiv, denn die Gebrauchtwagenpreise sind aufgrund der Fahrverbote gesunken.

Schadensersatzansprüche gegen Automobilhersteller

Sofern Sie eines der betroffenen Modelle erworben haben, stehen Ihnen Ansprüche gegen die Hersteller der manipulierten Fahrzeuge zu. Aufgrund der Tatsachenlage ist davon auszugehen, dass unter anderem der VW-Konzern seine Kunden bewusst getäuscht hat, indem eine Software aufgespielt wurde, die eine signifikante Manipulation der Abgaswerte bewirkt. Adressaten dieser Täuschung sind nicht nur die Anteilseigner von VW-Aktien, sondern auch die Autokäufer selbst. Es bestehen somit Ansprüche der Käufer gegen die unmittelbar Täuschenden, also die einzelnen Marken bzw. Unternehmen des VW-Konzerns. Hier können Käufer insbesondere Schadensersatzansprüche erfolgreich geltend machen. Diese sind darauf gerichtet, die Rückabwicklung des Vertrags zu erzwingen.

Mittlerweile hat eine ganze Reihe von Landgerichten entschieden, dass der VW-Konzern von den Verbrauchern für die erhöhten Schadstoffausstößen haftbar gemacht werden kann. So existieren einige Urteile, die zugunsten der Verbraucher entschieden wurden. Daneben ergingen auch zahlreiche Entscheidungen, die VW zur Leistung von Schadensersatz verpflichten. Die zuständigen Richter zeigten sich in den Urteilen davon überzeugt, dass der VW-Konzern bewusst getäuscht hat.

Verjährung droht zum Ende des Jahres 2018

Für ein zügiges Tätigwerden spricht, dass die Schadensersatzansprüche einer Verjährungsfrist unterliegen. Die Schadensersatzansprüche der Dieselkäufer verjähren zum Ende des Jahres 2018. Somit besteht dringender Handlungsbedarf, die Ansprüche anzumelden. Sofern Sie prüfen möchten, ob Ihnen Ansprüche zustehen, sollten Sie unsere Kanzlei umgehend kontaktieren und eine Erstberatung vereinbaren. Somit ist es besser, sich rasch um die Durchsetzung der eigenen Rechte zu kümmern. Denn sobald Verjährungsfristen abgelaufen sind, bleibt jegliches juristisches Tätigwerden dauerhaft versperrt.

Die Musterfeststellungsklage ab 1. November 2018

Mit Abstimmung vom Juni 2018 hat der Bundestag die Einführung der sogenannten Musterfeststellungsklage beschlossen. Das Gesetz hierzu soll am 1. November 2018 in Kraft treten. Was die Politik als großen Wurf bezeichnet, werten Verbraucherschützer als Mogelpackung. Mit dem in den USA üblichen Sammelklageverfahren hat die Musterfeststellungsklage wenig zu tun.
Klageberechtigt sind anerkannte Verbraucherschutzverbände, die mindestens dreihundertfünfzig Mitglieder haben. Betroffene Dieselkunden müssen sich zunächst an einen dieser Verbraucherschutzverbände wenden, um sich dem Musterstellungsverfahren anzuschließen. Der klageberechtigte Verband muss mindestens zehn gleichgelagerte Fälle aufarbeiten und Klage bei Gericht einreichen. Danach müssen sich innerhalb von zwei Monaten mindestens fünfzig Betroffene in dem entsprechenden Klageregister eintragen. Endet das Musterfeststellungsverfahren zugunsten der Dieselkunden, liegt zwar eine Art Präzedenzfall vor, dies bedeutet jedoch nicht automatisch eine Entschädigung der Kläger. Denn auf der Grundlage dieses Urteils müssen die betroffenen Dieselkunden ihre Rechte nun in einem separaten Verfahren individuell geltend machen. Das finanzielle Risiko, das mit einer individuellen Klage verbunden ist, bleibt also weiterhin, denn der Ausgang des Verfahrens ist nicht vorhersehbar. Ganz gleich, ob sich Betroffene für das Musterfeststellungsverfahren oder eine individuelle Klage entscheiden, sollten sie sich auf jeden Fall von einem Anwalt beraten lassen.

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