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Vorfälligkeitsentschädigung und Sondertilgungen: BGH entscheidet zugunsten der Verbraucher
Veröffentlicht von Andreas Frank am 22. Januar 2016

Die vorzeitige Kündigung eines Immobilienkredits war für Verbraucher bisher oft eine teure Angelegenheit. Bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung, die bei einer vorzeitigen Kündigung des Immobilienkredits fällig wird, wurden bisher geleistete Sondertilgungen von den Banken nicht anerkannt. Dieser für Kreditnehmer ungünstigen Vertragsklausel hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun einen Riegel vorgeschoben: In seinem Urteil hat der BGH nun festgestellt, dass Banken bei einer vorzeitigen Kündigung des Kreditvertrages bisher geleistete Sondertilgungen bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung kostenmindernd berücksichtigen müssen (Az.: XI ZR 388/14).
Vorfälligkeitsentschädigung und Sondertilgungen: Parteien streiten um Vertragsklausel
In dem Verfahren der Verbraucherzentrale Hamburg ging es um die Behandlung einer Vertragsklausel zu Gunsten der beklagten Sparkasse und zu Lasten des Darlehensnehmers bei vorzeitiger Beendigung des Darlehensvertrages. Nach dieser Klausel der beklagten Sparkasse sollten künftige Sondertilgungsrechte im Rahmen einer vorzeitigen Darlehensvollrückzahlung bei der Berechnung von Vorfälligkeitszinsen unberücksichtigt bleiben.
Bereits das Oberlandesgericht (OLG) als Vorinstanz hatte in seiner Entscheidung die Unzulässigkeit der in dieser Form von einer Vielzahl von Banken und Sparkassen verwendeten Vertragsklausel beanstandet. Nach Auffassung des OLG Oldenburg konnte die beklagte Sparkasse aufgrund der streitgegenständlichen Klausel eine höhere Vorfälligkeitsentschädigung berechnen. Dies stelle eine unzulässige Bereicherung der Sparkasse zu Lasten des kündigenden Darlehensnehmers dar.
BGH: Nichtberücksichtigung der Sondertilgungsrechte führt zu Überkompensation der Bank
In seinem Urteil hat sich der BGH dieser Rechtsauffassung nunmehr angeschlossen. Nach Auffassung der Richter führe eine Klausel, die im Falle einer vorzeitigen Darlehenskündigung bisher geleistete Sondertilgungen bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unberücksichtigt lässt, zu einer „von der Schadensberechnung nicht gedeckten“ Überkompensation der Bank. Darüber hinaus sei die streitgegenständliche Vertragsklausel mit dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung des § 490 BGB, der die vorzeitige Kündigung des Darlehensvertrages durch den Darlehensnehmer und die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung regelt, nicht vereinbar. Damit stellt die Vertragsklausel nach Ansicht des BGH eine „entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessene Benachteiligung des Kunden“ dar.
BGH: Vorzeitige Kündigung eines notleidenden Kredites durch Bank rechtfertigt keine höhere Vorfälligkeitsentschädigung
In einem weiteren veröffentlichten Verfahren – ebenfalls zur Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung – entschied der BGH ebenfalls zugunsten der Verbraucher. So stellte der BGH fest, dass eine Bank im Falle der vorzeitigen Kündigung eines notleidenden Kredits anstelle des Verzugsschadens keine höhere Vorfälligkeitsentschädigung verlangen darf (Az. XI ZR 103/15).
Parteien streiten über Auslegung des § 497 BGB a.F.
In dem vom BGH entschiedenen Fall stritten die Parteien über die Auslegung des § 497 BGB, der die Verzugszinsen in der bis Juni 2010 geltenden Fassung regelt. Nach Auffassung des BGH enthält die Vorschrift eine Sperrwirkung, die die Geltendmachung einer anderen Form des Schadensersatzes – hier in Form der häufig höher berechneten Vorfälligkeitsentschädigung – ausschließt. Der BGH verweist in seiner Entscheidung auf die Entstehungsgeschichte des § 497 BGB a.F., wonach der Gesetzgeber die Schadensberechnungsmöglichkeiten einer einfachen und praktikablen Neuregelung zuführen wollte. Der Verbraucher solle in die Lage versetzt werden, die Höhe der Mehraufwendungen im Verzugsfall selbst zu berechnen.
Widerrufsjoker kann greifen
Wie die Zeitschrift Immobilien Intern“ in ihrer Ausgabe 2/2016 berichtet, ist die Rechtslage für Verträge, die nach dem 11.06.2010 geschlossen wurden, aufgrund der zwischenzeitlich erfolgten Gesetzesänderung höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärt. Allerdings können Verbraucher auch in diesen Konstellationen den sogenannten Widerrufsjoker ziehen, wenn keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erfolgt ist. Stellt sich im Rahmen einer Prüfung heraus, dass die von der Bank verwendete Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist, kann die Bank nach erfolgtem Widerruf ihrerseits keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen.
Was können betroffene Darlehensnehmer jetzt tun?
Die Entscheidungen des BGH stärken erneut die Rechte von Darlehensnehmern gegenüber den kreditgebenden Banken und Sparkassen. Durch die nach Auffassung des BGH vorzunehmende Anrechnung geleisteter Sondertilgungen werden betroffene Darlehensnehmer, die sich vorzeitig von ihrem Darlehen lösen wollen, vor übermäßigen finanziellen Belastungen im Rahmen der zu zahlenden Vorfälligkeitsentschädigung bewahrt.
Auch der Umstand, dass das Darlehen vor der Kündigung notleidend geworden ist, rechtfertigt nach der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zumindest für die bis zum 11.06.2000 abgeschlossenen Verträge keine höhere Vorfälligkeitsentschädigung.
Betroffenen Darlehensnehmern ist zu raten, ihre bestehenden rechtlichen Möglichkeiten durch eine auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierte Kanzlei umfassend prüfen zu lassen. Über unser Kontaktformular haben Darlehensnehmer die Möglichkeit, sich mit uns in Verbindung zu setzen und sich umfassend über die in ihrem Fall bestehenden Möglichkeiten informieren zu lassen.