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Urteile Online-Coaching: Fehlende Zulassung, Widerruf und Sittenwidrigkeit
Veröffentlicht von Julian Finkel am 16. Dezember 2024
Deutsche Gerichte haben in mehreren Urteilen die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern gestärkt, die sich vorzeitig von Coaching-Verträgen lösen und ihr Geld zurückverlangen wollen. Ein zentrales Thema ist dabei die Anwendung des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG). Neben der Möglichkeit, sich wegen fehlender Zulassung des Anbieters vom Vertrag zu lösen, können Betroffene auch prüfen lassen, ob ein Widerruf oder eine Anfechtung des Vertrages möglich ist.
Urteile wegen fehlender Zulassung nach FernUSG
Das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) sieht vor, dass Fernlehrgänge, zu denen auch viele Online-Coachings gehören, einer staatlichen Zulassung nach § 12 FernUSG bedürfen. Fehlt diese Zulassung, ist der Vertrag nach § 7 Abs. 1 FernUSG nichtig. Das bedeutet, dass betroffene Verbraucherinnen und Verbraucher bereits gezahlte Entgelte zurückfordern können. Wichtige Urteile in diesem Zusammenhang sind:
- Das Oberlandesgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 01.08.2024 (Az. 4 U 101/24) einen Coaching-Vertrag wegen Verstoßes gegen das Fernunterrichtsschutzgesetz für unwirksam erklärt. Der Anbieter verfügte nicht über die nach § 12 Abs. 1 FernUSG erforderliche Erlaubnis. Der Kunde konnte daher das bereits gezahlte Entgelt in Höhe von 23.800,- Euro zurückfordern.
- Das Oberlandesgericht Celle hat mit Urteil vom 01.03.2023 (Az. 3 U 85/22) entschieden, dass ein Online-Coaching-Vertrag ohne die erforderliche Genehmigung nach dem FernUSG unwirksam ist. Zu beachten ist, dass das FernUSG nicht nur auf Verbraucherverträge, sondern auch auf Verträge zwischen Unternehmern anwendbar ist. Die Entscheidung ist rechtskräftig. In einem weiteren Urteil vom 30.10.2024 (Az. 13 U 20/24) hat das OLG Celle erneut entschieden, dass das FernUSG auch auf Verträge zwischen Unternehmern anwendbar ist. Das Gericht stellte fest, dass das Gesetz keine Einschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs auf Verbraucher*innen enthält. Zudem soll das FernUSG der „Enttäuschung des Bildungswillens“ vorbeugen und geht von einer erhöhten Schutzbedürftigkeit des Fernunterrichtsteilnehmers aus, unabhängig davon, ob dieser Verbraucher oder Unternehmer ist.
- Das Landgericht Bochum hat mit Urteil vom 03.12.2024 (Az. I-3 O 101/24) die Unwirksamkeit eines Coaching-Vertrages wegen Verstoßes gegen das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) festgestellt. Die Beklagte wurde zur Rückzahlung der geleisteten Zahlungen in Höhe von 5.800,- Euro sowie zur Übernahme der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt.
- Das Landgericht Göttingen hat mit Urteil vom 08.11.2024 (Az. 4 O 130/24) entschieden, dass zwei Coaching-Verträge mangels Zulassung nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) nichtig sind. Dies hat zur Folge, dass der Kläger gemäß §§ 812, 818 BGB einen Anspruch auf Rückzahlung des gezahlten Betrages in Höhe von 14.245,02 Euro hat.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat mit Urteil vom 18.12.2023 (Az. 13 O 2839/23) einen Online-Coaching-Vertrag wegen fehlender Zulassung des Anbieters für unwirksam erklärt, so dass die Klägerin das gezahlte Entgelt zurückfordern konnte.
Verfügt der Anbieter nicht über die erforderliche Zulassung, kommen solche Verträge nicht wirksam zustande. Eine Kündigung oder ein Widerruf des Vertrages ist in diesem Fall nicht erforderlich. Die Betroffenen können ihr Geld zurückverlangen.
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Urteile zum Widerrufsrecht im Zusammenhang mit Online-Coaching Verträgen
Unabhängig vom FernUSG haben Verbraucher bei Fernabsatzverträgen ein 14-tägiges Widerrufsrecht. Dieses kann bei Online-Coachings auch später greifen, wenn die Widerrufsbelehrung nicht ordnungsgemäß erfolgt ist. Verbraucher haben die Möglichkeit, sich von Coaching-Verträgen zu lösen und bereits gezahlte Beträge zurückzufordern, wenn der Anbieter den Teilnehmer nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt hat.
Das Landgericht Leipzig hat mit Urteil vom 01.03.2023 (Az. 05 O 1598/22) einer Klägerin, die einen Online-Coaching-Vertrag widerrufen hatte, Recht gegeben und ihr die Rückzahlung der gezahlten Beträge zugesprochen.
Urteil LG Stade: Coachingvertrag wegen Sittenwidrigkeit und Wucher unwirksam
Das Landgericht Stade hat ein Coaching-Programm als sittenwidrig eingestuft, weil die Vergütung in keinem angemessenen Verhältnis zu den erbrachten Leistungen stand und eine besondere Qualifikation des Anbieters nicht vorlag (Urteil vom 18.08.2022, Az. 3 O 522/22). In dem Fall ging es um einen Vertrag über ein zwölfmonatiges Coaching-Programm, das verschiedene Leistungen wie Live-Calls, 1:1-Beratung und WhatsApp-Support umfasste. Die vereinbarte Vergütung betrug 26.400,- Euro netto, zahlbar in zwölf Raten. Das Landgericht Stade entschied, dass dem Anbieter kein Zahlungsanspruch wegen Wuchers zustehe, da ein „besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung“ vorliege. In der vom Anbieter eingelegten Berufung entschied das OLG Celle zugunsten der Kundin, begründete seine Entscheidung jedoch mit der fehlenden Zulassung für Fernlehrgänge.
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