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ProReal Europa 9 und ProReal Europa 10: BaFin-Warnung vor möglichem Zahlungsausfall

Veröffentlicht von Annekatrin Schlipf am 18. März 2024

Hand-stoppt-Dominosteine

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat in einer Pflichtmitteilung über den möglichen Zahlungsausfall im Zusammenhang mit Namensschuldverschreibungen der ProReal Europa 9 GmbH und ProReal Europa 10 GmbH informiert. Betroffene Anleger*innen müssen den Ausfall von Zinszahlungen und den Verlust der Rückzahlung des gesamten Anlagebetrages befürchten. Hintergrund ist der Insolvenzantrag derjenigen Gesellschaft, an die Gelder der Anleger*innen weitergereicht wurden. Damit scheint zumindest ein teilweiser Verlust unausweichlich; wie hoch dieser ausfallen wird, bleibt abzuwarten. Die Initiatoren verweisen auf eine aktuelle Portfolioanalyse, die im ersten Quartal 2024 abgeschlossen sein soll. Ob das angestrebte Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung der Zwischengesellschaft oder ein reguläres Insolvenzverfahren eröffnet wird, bleibt ebenfalls abzuwarten. Betroffene können aber bereits jetzt ihre rechtlichen Möglichkeiten auf Schadensersatz und Rückzahlung ihres investierten Geldes prüfen lassen.

BaFin-Warnungen zu ProReal Europa 9 und ProReal Europa 10

Die in Hamburg ansässige One Group ist Initiatorin der ProReal-Serie mit Immobilien-Investmentprodukten und seit 2020 eine 100%ige Tochter des Soravia-Konzerns.

  • Namensschuldverschreibungen ProReal Europa 9: Die Schuldverschreibungen mit fester Verzinsung wurden von Dezember 2020 bis Juni 2021 vertrieben. Die Höhe der Mindestbeteiligung lag bei 10.000,- Euro zzgl. Agio in Höhe von 3,5%. Anleger*innen sollten bis zum 30.06.2021 eine Verzinsung in Höhe von 4 % und danach in Höhe von 6 % erhalten. Die geplante Grundlaufzeit endet am 30.06.2024.
  • Namensschuldverschreibungen ProReal Europa 10: Die Schuldverschreibungen mit fester Verzinsung wurden von Juni 2021 bis Juni 2022 vertrieben. Die Höhe der Mindestbeteiligung lag bei 10.000,- Euro zzgl. Agio in Höhe von 3,5%. Anleger*innen sollten jährliche Zinsen in Höhe von 5,75% und am Ende der Laufzeit die Rückzahlung ihres Anlagebetrages erhalten. Die geplante Grundlaufzeit endet am 30.06.2025.

Ende Dezember 2023 hatte die One Group mitgeteilt, dass Zinszahlungen für vier ProReal-Geldanlagen gestoppt werden. Neben den Produkten ProReal Europa 9 und 10 sind auch die beiden Geldanlagen ProReal Deutschland 7 und ProReal Deutschland 8 – Exklusives Folgeangebot von dem Zinsstopp betroffen. Die Pflichtmitteilungen gemäß § 11a Absatz 1 Vermögensanlagengesetz erfolgten am 14.03.2024 und betreffen die von der ProReal Europa 9 und der ProReal Europa 10 GmbH emittierten Vermögensanlagen in Form von nachrangigen Namensschuldverschreibungen. Danach muss ein Emittent über jeden Umstand informieren, der Auswirkungen auf die angebotenen Beteiligungen haben können. In der Pflichtmitteilung wird darauf hingewiesen, dass es zu einem möglichen Zahlungsausfall kommen kann, da die einzige Darlehensnehmerin der beiden Gesellschaften am 11.03.2024 einen Insolvenzantrag gestellt hat.

BaFin-Warnung ProReal Europa 9 GmbH

BaFin-Warnung ProReal Europa 10 GmbH

Hintergrund für Warnungen: Insolvenzantrag für die SC Finance Four GmbH

Darlehensnehmerin ist die SC Finance Four GmbH (vormals SORAVIA Capital Four GmbH). Anlegergelder der ProReal Europa 9 GmbH und der ProReal Europa 10 GmbH in Höhe von rund 278 Millionen Euro sind in die SC Finance Four GmbH geflossen, die ihrerseits in Immobilienprojekte bzw. Projektgesellschaften der Soravia investiert hat. Nach Angaben der One Group müssen einige Projekte mangels tragfähiger Finanzierung ganz oder teilweise rückabgewickelt werden.

Update 20.03.2024: Das Amtsgericht Offenbach am Main hat am 19.03.2024 ein vorläufiges Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung angeordnet und Rechtsanwalt Dr. Andreas Kleinschmidt zum vorläufigen Sachwalter bestellt (8 IN 170/24).

ProReal Europa 9 und ProReal Europa 10: Mangelnde Informationen

Die Anleger*innen wurden bislang nicht aktiv über die aktuellen Entwicklungen informiert. So erhielt einer unserer Mandanten an dem Tag, an dem die Insolvenz der SC Finance bekannt wurde, eine Informationsmail des Vermittlers der Kapitalanlage. Der Insolvenzantrag wird in der Nachricht jedoch nicht erwähnt. Die Situation ist aus Anlegersicht sehr unbefriedigend.

Update Juli 2024: Auch die Anleger*innen von ProReal Deutschland 7 zittern weiter um investiertes Kapital. Die ProReal Deutschland 7 GmbH hat diesen Ende Juni 2024 unter anderem mitgeteilt, dass ein möglicher Rückzahlungstermin frühestens in 18 bis 24 Monaten sein könnte. Einen konkreten Rückzahlungstermin nennt sie nicht.

Update August 2024: Auch für die Anleger*innen der ProReal-Serie ProReal Privat 2 bis 11 verzögern sich die Auszahlungen erneut. Dies berichtet Fonds professionell online. Die Auszahlung für das zweite Quartal sollte bis Ende August erfolgen. Nun wird sich nicht nur diese Auszahlung weiter verzögern, auch die Auszahlung für das dritte Quartal wird nicht wie geplant erfolgen.

Qualifizierter Rangrücktritt: Die Namensschuldverschreibungen der ProReal Europa 9 GmbH und der ProReal Europa 10 GmbH unterliegen einem sogenannten qualifizierten Rangrücktritt. Bei einem Rangrücktritt handelt es sich um bedingt rückzahlbare Mittel. Die Rückzahlung erfolgt nachrangig – das bedeutet, dass die Rückzahlung erst dann erfolgt, wenn alle nicht nachrangigen Gläubiger*innen wie z.B. Banken oder Lieferanten vollständig befriedigt wurden. Im Falle einer Insolvenz müssen Anleger*innen meist mit einem Totalverlust ihres eingesetzten Geldes, also des Darlehenskapitals nebst Zinsen, rechnen. Bei einem qualifizierten Rangrücktritt ist ein Anspruch auf Rückzahlung und Verzinsung auch außerhalb der Insolvenz ausgeschlossen, wenn die Zahlung einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Darlehensnehmers herbeiführen würde. Ein Unternehmen darf also Zahlungen an Anleger*innen dann aussetzen, wenn es andernfalls zahlungsunfähig oder überschuldet würde.

Nachrangige Namensschuldverschreibungen sind für die Anleger*innen mit enormen Risiken verbunden. Über die Risiken des qualifizierten Nachrangs, das Bonitätsrisiko, das Totalverlustrisiko und andere Risiken müssen sie umfassend aufgeklärt werden. Anlageberater*innen und Vermittler*innen können sich schadensersatzpflichtig gemacht haben, wenn sie die Anleger*innen nicht umfassend über die Risiken und insbesondere das Totalverlustrisiko aufgeklärt haben. Sie müssen auch über die mangelnde Eignung als Altersvorsorge aufklären. Eine Beratungspflichtverletzung liegt auch vor, wenn Risiken verschwiegen oder verharmlost werden. Wird nicht auf die anfallenden Provisionen hingewiesen, haften die Finanzvertriebe unter Umständen für den entstandenen Schaden. In der Vergangenheit haben Gerichte zudem in einigen Fällen entschieden, dass Klauseln zu Nachrangdarlehen AGB-rechtlich unwirksam sind.

Die wichtigsten Informationen haben wir im Video zusammengefasst:

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Mehr Informationen

Kostenfreie Ersteinschätzung für Betroffene

Die Warnungen der BaFin vor einem möglichen Zahlungsausfall sind gravierende Nachrichten für die betroffenen Anleger*innen. Es ist unklar, ob es der SC Finance gelingen wird, ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung durchzuführen. Den Anleger*innen drohen finanzielle Verluste bis hin zum Ausfall der Anleihe. Um mögliche finanzielle Verluste zu minimieren, ist den Betroffenen zu raten, ihre rechtlichen Möglichkeiten prüfen zu lassen. Dazu gehören die Prüfung der Möglichkeit einer Kündigung der Anleihe sowie die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen.

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Autorin

Annekatrin Schlipf, Diplom-Wirtschaftsjuristin (FH)
Anwaltskanzlei Aslanidis, Kress & Häcker-Hollmann